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Umrolltisch Eigenbau Archivfilm - Technische Fragen


Manuel

Empfohlene Beiträge

Guten Tag geschätzte Community,

 

ich bin nun schon seit einiger Zeit stummer Mitleser und habe mich nun entschieden einige Fragen an Euch direkt zu richten.

 

Ich bin selbstständiger Filmrestaurator und will mir für meine berufliche Tätigkeit einen Umrolltisch bauen, der Archivfilm, also alten, spröden, geschrumpften oder beschädigten Film behandeln kann. Das bedeutet auf technischer Ebene, dass die Motoren sanft, langsam und mit konstanter Kraft auf dem Film laufen müssen. Der Antrieb erfolgt nur über die Teller, kein Capstan, aktiv drehende Zahnkränze, etc. Es sollen möglichst wenige Umlenkrollen eingesetzt werden und die Winkel müssen sehr flach sein. Ein Referenzmodell ist der Archivtisch von KEM: https://kem-studiotechnik.de/kemwind/

 

Die gewünschten technischen Fähigkeiten sind:

 

- Langsamste konstante Geschwindigkeit: <0.3 m/s

- Konstante Filmspannung ca 200g, unabhängig von Rollengröße

- analoge Ansteuerung

- Motorkennwerte in etwa: 24V, 3A, 3Nm Haltemoment

- Antistatische Oberflächen, Glasteller

- Unterlicht-Panel

 

In meiner Konzeption bin ich auf folgende Fragestellungen gestoßen:

 

- Lässt sich so eine Konstruktion mit einem Schrittmotor erreichen? Oder ist ein Servomotor notwendig?

- Falls Servomotoren verbaut werden: Gibt es derart langsam drehende Servomotoren, oder müssen diese untersetzt werden?

- Wie kann ein derartiger Tisch die Filmspannung messen? Über die Motorspannung? Über Pulsweitenmodulation? Und wie kann die Drehzahl der Motoren dementsprechend geregelt werden?

- Bietet analoge Elektronik diese Möglichkeiten, oder muss ich unweigerlich über eine digitale Steuerung nachdenken?

 

Auf film-tech.com habe ich einiges an brauchbaren Infos gefunden, musste ich halt alles auf die Anforderungen von Archivfilm "umdenken". Auch dieses Forum war bereits sehr hilfreich.

 

Ich bin für jeglichen Input von Eurer Seite dankbar, ich stehe noch am Anfang des Projekts und möchte die Grundpfeiler der Konstruktion abstecken, bevor ich den tatsächlichen Bau angehe.

 

Danke schon mal herzlich, ich hoffe auf eine rege Diskussion!

 

Grüße

Manuel

 

 

 

 

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Kurz, nimm eine analoge alte PA Tonendstufe, Überbrücke die DC-Entkoppelkondensatoren, meist Elkos, nimm Gleichstrommotore Bürstenläufer, in 24VDC habe ich noch 4 ehemalige Großkopierermotoren hier liegen, solide Teile. Dann einen /zwei Zugregelarme, den am besten gewichtsbelastet, also Schnur mit Gewicht, das nach unten fällt und am Arm zieht. Am Arm ein Poti anbringen, mit diesem Gleichspannung an den Eingang der endstufe, am Ausgang den Motor, und es funktioniert.

Nimmst du je einen Arm für auf/abwickeln bzw. links/rechts Teller, dann regelt der Abwickelarm den Filmzug, der Aufwickelmotor wird über den anderen Endstufenausgang gesteuert, ebenso mit Poti. Willst du in beider Richtungen fahren ohne den Film umzulegen, dann mußt du den Arm der Aufwickelseite magnetisch verriegeln, das geht einfach mittels Elektromagnet, am simpelsten aus den alten Aquariumluftpumpen.

Vermeide alles, was aktiv hart bremst, wie es Frequenzumrichter oder Brushlessmotoren, wie Schrittschaltmotoren, tun. Das führt unweigerlich zum Schwingen des Systems.

Die quasi elektrische Lösung, die Sparstelltrafos werden durch die DC-Leistungsendstufe ersetzt, ist einfach aufzubauen, zu modifizieren und zu justieren. verfügt deine endstufe über wenig leistung, dann gibt das auch nicht übermäßig viel Filmzug, wenn der Abwickelregelarm mal an Anschlag kommt, weil die Spannung der Endstufe dann zurückgeht bzw. du die Strombegrenzung der Endstufe so modifizieren kannst das da nicht mehr Zug entsteht.

Als Basis eignen sich u.A. die Umrolltische von Kinoton für die alten Telleranlagen, die gibts es in Zweimotorausführungen als Umroller, und die haben Gleichstrommotore drin.

Ich habe noch einen recht großen Umrolltisch in AC Ausführung gute Basis, für 500€ hier im Forum gekauft, den gebe ich für den Preis auch wieder ab. Und, falls interesse besteht, kannst du mich auch besuchen und wir bauen so ein Teil, gegen einen Unkostenbeitrag.

Die Endstufenlösung habe ich erfolgreich in einem Spulenturm eingesetzt, der läuft immer noch, wenn ich ihn mal brauche.

Grüße

Jens

 

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Da stimme ich Simon voll und ganz zu! Ein Handumrolltisch mit passender Übersetzung ist gerade bei fragilem Archivmaterial deutlich brauchbarer als jeder motorisch betriebene Tisch. Vor allem wenn es um Befundung und Reparatur geht.

Beste Grüße

Florian

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Wenn er selbstständiger Restaurator ist, bietet er seine Dienstleistungen ja irgendwem an. Und diese Dienstleistungen sollten ja versichert sein, für den Fall mit dem Original passiert etwas, z.b. es reißt auf dem Selbstbautisch und 10m Film sind schrott. Der Auftraggeber fordert Schadenersatz, hier kommt dann ein Gutachter, der feststellt, dass nicht mit "Branchentypischen Equipment" gearbeitet wurde und gibt die Schuld dem Threaderöffner,  dessen Versicherung zahlt nicht, der Auftraggeber verklagt (unwiderbringliches Einzelstück... blah...) und dann?

 

Mein ganzes Gerümpel ist versichert, auch die FIlme.... kostet, aber muss in der heutigen Zeit ja alles sein...

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Danke euch für die Antworten!

 

Danke insbesondere Jens für die technische Skizzierung. Das scheint mir eine recht schlüssige Lösung zu sein für eine elektronische Konstruktion. Hättest du eventuell Fotos davon, insbesondere von der Zugregelung? Da fehlt mir noch ein wenig die Vorstellungskraft. Hast du in deinem Fall die Motoren untersetzt, oder direkt an die Teller laufen lassen? Ich frage mich, ob eine direkte Kraftübertragung der Motoren ohne Schwingungen, bei den gegebenen Kraft- und Geschwindigkeitsvorhaben möglich ist. Vermutlich tatsächlich nicht mit Schrittmotoren.

 

Darüber hinaus stimme ich euch grundsätzlich zu, dass eine rein händische Bauart am sanftesten zum Material wäre. Problem nur: Im Handbetrieb lässt sich keine Kraft konstant halten, deswegen wickelt der Film unregelmäßig. Bedeutet, um in den meisten weiteren Maschinen (Scanner bspw., klar in einer optischen Kopiermaschine wäre ein locker gewickelter Film mitunter kein Problem) weiter bearbeitet zu werden, muss der Film nach der Inspektion (und Reparatur) erneut umgerollt werden, und zwar in irgendeiner Art motorisch betriebenem Gerät. Manches Material benötigt händisches Umrollen und Inspektion, keine Frage. Aber Handumroller sind ja wahrlich nicht das Problem, da würde ich mir irgendein 50€ Teil hinstellen.

 

Bzgl Versicherung: Valide Frage, habe ich mir bis jetzt so nicht gestellt. Das Material ist von Lieferseite gegen Schäden versichert (das wird ja auch viel transportiert und bearbeitet..). Ich würde mal sagen, dass eine Versicherung die sämtliche Beschädigungen von meiner Seite aus deckt, einen wirtschaftlichen Betrieb schwer möglich macht. Da gibts ein Restrisiko. Ich nehme aber auch nur Material an, dass ich bearbeiten kann, Nitro in höheren Zerfallsstufen bspw. macht keinen Sinn.

 

Grüße

Manuel

 

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Als Berufsfilmvorführer und Allgemeinfilmtechniker kann ich dir versichern, daß man von Hand satte Wickel hinbekommt. Man braucht bloß zu wissen, wie. Wenn man elektromotorisch umrollt, ist ständiger Zug auf den Film erforderlich, damit der Wickel fest wird. Damit ist die Schonung in Frage gestellt. Auf einer optischen Kopieranlage sollte alles Material recht stramm gewickelt sein, weil aufrecht stehend.

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So eine analoge Regelung wie von Jens skizziert ist zwar vergleichsweise einfach aufgebaut, aber man ist in der Realität eben doch dann den mehr oder weniger fest vorgegebenen dynamischen Effekten ausgeliefert, die Regelung und Mechanik zusammen ergeben. Da kann man dann verhältnismäßig wenig ändern. Unser Spulenturm mit ähnlicher Regelung zeigt abhängig von Spulen- und Filmtyp und Wickelzustand ein erstaunlich variables Lauf- und Geräuschverhalten. Bei Vorführmaterial und im normalen Vorwärtsbetrieb  ist das alles halbwegs im grünen Bereich, aber für Restauration/Rangieren wäre mir das zu heikel. Ich glaube, dass man das mit modernen Schrittmotoren und Steuerungen feinfühliger hinkriegt. Allerdings kriegt man da zwar fertige Elektronikmodule für kleines Geld, muss aber das Regelverhalten selbst programmieren. Das muss man natürlich erstmal hinkriegen...

 

Eventuell bieten sich Akkuschrauber als Basis für die Antriebe an, preiswert, leicht zu bekommen, und einen Teil der Regelung enthalten sie auch schon. Wählt man ein Modell mit einstellbarer mechanischer Drehmomentbegrenzung/Rutschkupplung, hat man eine gewisse Sicherheit selbst bei Fehlbehandlung oder Regelungsaussteigern.

 

 

Bearbeitet von carstenk (Änderungen anzeigen)
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Carsten, Problem bei digitalen Regelungen ist das Bremsen, das läßt sich sehr schlecht dämpfen, klapp nach meinen erfahrungen nur, wenn man sehr langsam umrollt. Bei Kinoton ST5000 mit den Lenze Antrieben müssen daher die Spulen fest verschraubt sein, kein Spiel ahben, und es müssen fetse Wickel sein, sonst reißt es am Film. Und auch der hat Regelarme.

Ich habe auch noch einen Tisch zum Umrollen mit einer einfachen Elektrik, der beschleunigt sanft und bremst sanft, hat keine wirkliche Zugregelung, weil kein Zugmesser. Bremsen mit Lederbändern und Magnet, klapp gut, qietscht jämmerlich.

Als ich vor ca. 20 Jahren die Spulenturmbauerei forcierte, steiß sich auf alle diese Probleme und lernte dann, warum der Weinkopf/Hassoturm mit Motoren, die im Keilriemen hängen und nur 29VDC Ankerspannung gebaut wird.

Manuel, Motoren immer mit Untersetzung betreiben, Geschwindigkeit ist das unnötigste, das du wahrscheinlich brauchst, eine feinfühlige Regelung ist wichtiger. Ein alter Steenbecktisch würde es auch tun, der verfügt jedoch auch nicht über eine Konstantzugregelung, keiner von denen, sondern aus einem Gemisch von fester Bremsfriktion und geschwichtsabhängiger Friktion. Macht jedoch auch immer wieder Problemchen, je nach Material.

Jens

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Danke euch nochmal für den Input, wahrlich sehr hilfreich!

 

Ich hätte das ganze jetzt mal mit untersetzten Schrittmotoren versucht, hab da mal welche an Land gezogen, mit denen werde ich das ausprobieren. Der Aufbau wird jetzt so erfolgen, dass sich im Falle des Falles die Schrittmotoren durch Servomotoren ersetzen lassen könnten. Meine Sorge derzeit in dem System ist das Schwingen, da fällt mir aber keine bessere Lösung ein, als das einfach mal auszuprobieren. Wie du richtig erkannt hast Jens, ist eine schnelle Spulgeschwindigkeit bei mir kein Faktor. Die Ansteuerung wird so einfach wie möglich, zwei "Gangarten", die sich selbst noch über Potis in der Geschwindigkeit regeln lassen. So ginge superlangsam, und halbwegs zügig, und man kann sich den Anforderungen des Films beugen.

 

Die Zugregelung hätte ich mal über eine Wägezelle versucht. Gekoppelt an eine schwingend gelagerte passive Umlenkrolle (mit "Laufrichtern" vorher und nachher), könnte das in dem Grammbereich funktionieren. Der Output läuft dann in die Motorsteuerung. Das bedeutet natürlich einen gewissen Stress auf das Material, ursprünglich wollte ich jegliche Umlenkung vermeiden, ist aber vielleicht ein Mittelweg mit dem sich auch fragileres Material bewegen lässt.

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Am 17.9.2020 um 14:40 schrieb Jensg:

Und dann, tja, frage mal nach. Meine Versicherung hat es bisher immer mit den absurdesten Begründungen verweigert, zu zahlen. Hast du zusätzlich eine Rechtsschutz, um deine Versicherung zu verklagen auf Regulierung? Wenn nicht, dann mal los.

Jens

Meine ist als "Schützenswürdiges Kulturgut" in einer Sonderpolice bei der Generali mitversichert. Macht im Jahr 600 Euro mehr aus. Bisher keine Probleme gehabt. Über die läuft auch die Kopienversicherung zwecks Open Air und gelegentlichen Einsätzen von Archivkopien bei mir zu Hause.

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Zwecks Umlenkrollen bei Archivbetrieb am Umroller: Die sind (so hab ich das mal gelernt) auf das nötigste zu reduzieren. "Bei Materialsichtungen am Begutachtungstisch ist eine übermäßige Beanspruchung des Originalmaterials unbedingt zu vermeinden - fragile Materialien werden auf dem Umrolltisch oder dem (Handbetriebenen) Abziehtisch einer ersten Begutachtung unterzogen" (Lehrmaterial zum Film-und Videolaboranten, stand 2002)

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