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1.11.06: 111 Jahre Kino - Wer feiert mit?


sbents

Empfohlene Beiträge

Bzw.: Feiert überhaupt jemand?

 

Berlin, 1. November 1895: Die Gebrüder Max und Emil Skladanowsky projizierten weltweit erstmalig vor einem zahlenden Publikum im Berliner "Wintergarten" an der Friedrichstraße mit ihrem "Bioskop" kurze Filmsequenzen.

 

Auch wenn die Erfindung des Kinos den französischen Gebrüdern Lumière zugeschrieben wird, am 28. Dezember 1895 in Paris die (offizielle) eigentliche, öffentliche Weltpremiere des Kinos inszeniert zu haben, sollte dieser Tag nicht ohne Interesse an uns vorbeigehen.

 

Egal, dann haben wir halt 2 x die Möglichkeit, den Geburtstag unseres besten Freundes, der Kinematographie, zu feiern...

 

Aus gegebenem Anlass zeigen wir, das studentische Kino Gegenlicht an der Carl-von-Ossitzky-Universität Oldenburg, am Mittwoch, den 1.11., den Wenders-Film "Die Gebrüder Skladanowsky" von 1995.

 

Vor 11 Jahren waren die AV- & Printmedien (relativ) voll mit der Berichterstattung über den 100. Geburtstag. - Bisher habe ich zu dem Geburtstag jedoch noch nichts lesen können. Denkt jemand von Euch an das historische Datum und plant, es angemessen zu feiern?

 

Gruß Stephan

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Die Filmwissenschaft hat inzwischen die Sache mit der Skladanowsky-Premiere zu den Akten gelegt. Es gab in den USA Filmprojektionen, die zeitlich vor den Bioscop-Aufführungen lagen.

 

- Am 21. April 1895 zeigte Woodville Latham in New York der dortigen Presse seinen Eidoloscope bzw. Panoptikon-Projektor.

Latham gilt auch als Erfinder des Ausgleichs durch Filmschleifen, die deshalb bis heute im Englischen manchmal als "Latham loop" bezeichnet werden.

 

- Am 20. Mai 1895 fand ebenfalls in New York die vermutlich erste Filmvorführung vor zahlendem Publikum statt. Der achtminütige Film Young Griffo vs. Battling Charles Barnett zeigte ein Boxmatch, das auf dem Dach des Madison Square Garden gedreht wurde.

 

- Im September bzw. Oktober 1895 zeigten C. Francis Jenkins and Thomas Armat mit ihrem "Phantascope" Filme auf der Cotton States Exposition in Georgia.

 

Eine gute Zeitleiste der Pioniere und Daten findet man z.B. hier:

 

http://www.filmsite.org/milestonespre1900s.html

 

Der Skladanowsky-Doppelprojektor, der aufgrund seines langsamen Schaltwerkes zwei Filmbänder benötigte, um auf eine ausreichende Bildfrequenz zu kommen, wird heute als Ausläufer der sog. Chronophotographie betrachtet. Weder konnte die damalige Kamera in Echtzeit (=Projektionsgeschwindigkeit) aufnehmen, weshalb die Akteure besonders langsam spielten, noch fand eine Registrierung durch Perforation bei der Aufnahme statt.

 

Projektion von photographisch hergestellten Serienbildern gab es schon bei Ottmar Anschütz, der mit seinem "Projektions-Schnellseher" hochwertige Aufnahmen in Großprojektion zeigte.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrischer_Schnellseher

 

Schöne Bilder & Dokumente:

 

http://www.ansichtskarten-pankow.de/pankowfilm.htm

 

Wer eine fundierte Geschichte der Skladanowsky-Arbeiten lesen möchte, findet sie hier:

 

Skladanowsky.jpg

Max Skladanowsky

oder der Beginn einer deutschen Filmgeschichte von Joachim Castan erschienen im Füsslin Verlag 1995 263 Seiten

 

Der Filmpionier und Kameramann Guido Seeber hat bereits 1935 in einer sehr schlüssigen technischen Analyse erläutert, warum Max Skladanowskys Erfindung nicht den Anspruch auf die erste Filmvorführung der Welt stellen kann, als Faksimile nachgedruckt in dem Buch

 

Stiftung Deutsche Kinemathek (Hg.): Das wandernde Bild. Der Filmpionier Guido Seeber. Berlin 1979.

 

 

Das-wandernde-Bild_Guido-Se.gif

 

Der Wenders-Film ist meiner Meinung nach eher Ausdruck eines gewissen Wunsches, anläßlich von hundert Jahren Kino mithilfe des "verkannten Erfinders und Autodidakten" S. das Medium Film doch noch national zu reklamieren.

 

Aber was soll's - wir glauben ja auch nicht, daß es im alten Ägypten so zuging wie in CLEOPATRA mit Frau Taylor und Herrn Burton - das ist eben Kino...

:wink:

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Bzw.: Feiert überhaupt jemand?

 

Berlin, 1. November 1895: Die Gebrüder Max und Emil Skladanowsky projizierten weltweit erstmalig vor einem zahlenden Publikum im Berliner "Wintergarten" an der Friedrichstraße mit ihrem "Bioskop" kurze Filmsequenzen.

 

Auch wenn die Erfindung des Kinos den französischen Gebrüdern Lumière zugeschrieben wird, am 28. Dezember 1895 in Paris die (offizielle) eigentliche, öffentliche Weltpremiere des Kinos inszeniert zu haben, sollte dieser Tag nicht ohne Interesse an uns vorbeigehen.

 

Egal, dann haben wir halt 2 x die Möglichkeit, den Geburtstag unseres besten Freundes, der Kinematographie, zu feiern...

 

Aus gegebenem Anlass zeigen wir, das studentische Kino Gegenlicht an der Carl-von-Ossitzky-Universität Oldenburg, am Mittwoch, den 1.11., den Wenders-Film "Die Gebrüder Skladanowsky" von 1995.

 

Vor 11 Jahren waren die AV- & Printmedien (relativ) voll mit der Berichterstattung über den 100. Geburtstag. - Bisher habe ich zu dem Geburtstag jedoch noch nichts lesen können. Denkt jemand von Euch an das historische Datum und plant, es angemessen zu feiern?

 

Gruß Stephan

 

Hallo,

 

dann hab ich ja schon gefeiert, denn zufällig hab ich dieses Jahr den Wenders-Film (leider oder zum Glück auf DVD) entdeckt, den ich nur empfehlen kann und wenig später fand ich ein Buch über Max Skladanowsky, das ich zufällig für 11 € erwarb :-)

Max Skladanowsky

oder der Beginn einer deutschen Filmgeschichte

 

Trotzdem weiß ich immernoch nicht, wie sein spezielles Schneckenradgetriebe funktioniert, dass intermittierende Drehbewegungen ausführen soll...

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Auch wenn die Erfindung des Kinos den französischen Gebrüdern Lumière zugeschrieben wird (...)

 

Es gab keinen Erfinder des Kinos. Kino ist nicht, wenn ein Film in einem Projektor startet. Kino waren auch nicht die Filme der Filmpioniere. Kino ist, wenn Film seßhaft wird, und das hat ein paar Jährchen nach den ersten Vorführungen gedauert. Es gab daher sehr wohl Erfinder des Films, aber nicht des Kinos, es sei denn, man will hierzu die ersten Inhaber von Ladenkinos zählen. Von mir aus gerne, aber das macht halt nicht so viel her.

 

 

Die Filmwissenschaft hat inzwischen die Sache mit der Skladanowsky-Premiere zu den Akten gelegt.

 

Das Gegenteil ist der Fall. Bekannt wurde Skladanowsky anfangs völlig vergessen und dann bis Mitte der 20er Jahre ignoriert. Erst weil er Mitte der 20er selber auf seine Pionierleistung aufmerksam machte, kam er wieder ins Gespräch, aber nicht lange. Nach dem Krieg wurde er Jahrzehnte zur skurilen Fußnote. Seit ca. 20 Jahren ist aber eine Änderung in der Rezeption erfolgt, und zwar zu Recht. Beweis sind die immer zahlreicheren wissenschaftlichen Publikationen zu Skladanowsky.

 

Was er im November 1895 im Wintergarten zeigte, war die erste öffentliche Filmvorführung auf Leinwand vor zahlendem Publikum.

 

 

Am 20. Mai 1895 fand ebenfalls in New York die vermutlich erste Filmvorführung vor zahlendem Publikum statt.

 

Solche Filmvorführungen hat es zu Dutzenden gegeben, doch die Quellenlage ist unsicher und wird es vielleicht immer bleiben. Auch weiß man nicht viel über die Technik von vielen Filmpionieren. Daher hält man sich lieber an beweisbaren Tatsachen, und da kommt man um Skladanowsky nicht herum. Daran ändert auch die Tatsache nichts, das sein Bioskop-Doppelprojektor technisch keine Perspektive hatte, denn immerhin hats gereicht, um vier Wochen vor stets ausverkauftem Haus seine Filme vorzuführen.

 

Brillo

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Die amerikanischen Vorführungen sind durchaus durch Presse, Rezensionen und Patentanmeldungen belegt, die m.W. am besten belegte wissenschaftliche Arbeit hierzu stammt von Deac Rossell, der auch Kurator der Ottomar-Anschütz-Ausstellung vor einigen Jahren war:

 

Rossell, Deac, Living Pictures: The Origins of the Movies (New York: State University of New York Press, 1998)

 

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Rossell, Deac, 'The New Thing with the Long Name and the Old Thing with the Name That Isn't Much Shorter: A Cinema Chronology, 1889-1896', Film History vol. 7 no. 2, special issue, Summer 1995

 

Der letzte Artikel bietet eine mit Quellen versehene umfangreiche Zeittabelle der wichtige Entwicklungen, Vorführungen und Patentanmeldungen. Skladanowsky hat sicher seinen Platz in der Reihe der vielen Tüftler und Bastler auf dem Weg zur Kinematografie, aber sich als Begründer der Filmindustrie zu gebärden, wie er es in späteren Jahren tat, ist unhaltbar.

 

Richtig ist auf jeden Fall, daß es keinen "Erfinder des Films", noch weniger des Kinos gab, weil sich weltweit Erfinder auf verschiedenen Wegen und mit verschiedenen Ansätzen der Lösung des Problems der "Lebenden Bilder" genähert haben. Wann die erste Vorführung, die erste öffentliche Vorführung, die erste vor zahlendem Publikum usw. war, ist eigentlich auch nicht so wichtig.

 

Im Grunde könnte man auch Dickson/Edisons Festlegung des 35-mm-Formates für das Kinetoscope nehmen, auch wenn die entstandenen Filme noch nicht projiziert, sondern nur per Okular&Scheibenblende bei kontinuierlichem Lauf direkt betrachtet wurden!

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er Filmpionier und Kameramann Guido Seeber hat bereits 1935 in einer sehr schlüssigen technischen Analyse erläutert, warum Max Skladanowskys Erfindung nicht den Anspruch auf die erste Filmvorführung der Welt stellen kann, ...

 

... undd in dem "Artistischen Fachblatt" DAS PROGRAMM vom 22.03.1903 erhebt der redakteur Leo Herzberg auch noch den anspruch, den gebrüdern Skladonwsky die idee zu deren "bioscop" geliefert zu haben ...

 

und schon im jahre 1901 beschwert man sich über die kopien:

 

"Filme französischer Fabrikation sind meistens sehr gedeckt, brauchen deshalb sehr starke und helle Beleuchtung; die englischen und amerikanischen Filme sind dagegen glasklar, lassen sich auch bei geringerer Beleuchtung gut projizieren."

 

(aus dem artikel "Erfahrungen eines Kinemathografenbesitzers" KOMET nr. 850, 6.7.1901)

 

Und schon im Januar 1907 gab's in Berlin "overscreening" - mehr als 300 stationäre filmtheater soll es bereits zu dem zeitpunkt in berlin gegeben haben ...

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Der Filmpionier und Kameramann Guido Seeber hat bereits 1935 in einer sehr schlüssigen technischen Analyse erläutert, warum Max Skladanowskys Erfindung nicht den Anspruch auf die erste Filmvorführung der Welt stellen kann, als Faksimile nachgedruckt in dem Buch.

 

Seeber war damals stark im "Erfinderstreit" involviert und alles andere als eine neutrale Person. Seine technische Analyse ist aber aus einem ganz anderen Grund völlig nutzlos. Die Frage war damals wie heute: Was ist eine Filmvorführung? Dafür gibt es nette hochkomplizierte Erklärungen (wie die von Seeber), lassen aber den entscheidenden Punkt außer acht, nämlich das es damals wie heute ziemlich egal ist, wie eine Filmvorführung zustande kommt.

Ich weiß, es schmerzt, aber allein das Publikum entschied und entscheidet, was eine Filmvorführung ist und was nicht. Technische Definitionen einer Filmvorführung sind daher belanglos. Das ist auch heute nicht anders: Bekanntlich interessiert sich heutiges Publikum auch nicht sonderlich dafür, ob digital oder per 35mm vorgeführt wird. Was das Publikum interessiert, ist der Output. Wie das erreicht wird, ist ihm egal, und warum auch nicht.

Was hätte Seeber wohl zu digitalen Filmvorführungen gesagt? Ist das überhaupt noch eine Filmvorführung? Diese technischen Vergleiche bringen also hier nicht weiter. Es geht also zunächst überhaupt nicht um die technische Realisation, sondern nur um das, was effektiv damals im November 1895 vorne auf der Leinwand des Wintergarten passierte und was das Publikum davon hielt. Immerhin haben ca. 35.000 Zuschauer im Wintergarten die Bioskop-Vorführungen gesehen und waren davon verblüfft.

Aus den damaligen Pressemeldungen weiß man, das man realisierte, daß dort etwas völlig Neuartiges gezeigt wurde. So etwas hatte man noch nie gesehen. Filmvorführung nannte man es natürlich noch nicht, denn den Begriff gab es noch lange nicht.

 

Klar war das Bioskop technisch nicht so weit wie der Projektor z. B. der Lumieres, aber es hat für den Anfang ausgereicht. Auch der Projektor der Lumieres war sehr, sehr schnell veraltet, das kann also kein Maßstab sein. Wir fahren ja auch heutzutage keine dreirädrigen Motorkutschen und halten trotzdem Carl Benz in Ehren.

 

Übrigens hat Skladanowsky im November 1935 unter dem Druck der Kritik (Erfinderstreit, keine "richtige" Filmvorführung) noch mal sein Bioskop hervorgeholt und für seine Gegner eine Vorführung veranstaltet. Seine Gegner waren unangenehm berührt: Was sie sahen, war zwar qualitativ nicht mit 1935 vergleichbar, aber sofort als frühe Filmvorführung zu erkennen.

Darüber gibt es hoch enttäuschte Briefe, zum Beispiel an Skladanowskys Hauptgegner, Oscar Messter. Also nix mit Stoboskop-Effekt etc. Das Ding war eine Filmvorführung, weil es danach aussah. So einfach ist das.

 

Was übrigens Seeber damals sehr wohl wußte, aber unterschlug: Auch in den langen Jahren bis zum 1. Weltkrieg wurde teilweise extrem langsam aufgenommen und gekurbelt, um Material zu sparen. Filmvorführungen mit 12 Bildern waren völlig normal, dafür gibt es Zeitzeugenberichte von Filmvorführern. Nach technischer Definition sind 12 Bilder aber bloß ein stroboskopischer Effekt und keine Filmvorführung. Ja, nach technischer Definition... aber offenbar hatte damals das Publikum eine ganz andere Definition von Filmvorführung. Und, mit Verlaub: Nur diese Definition ist von Belang.

 

Der Wenders-Film ist meiner Meinung nach eher Ausdruck eines gewissen Wunsches, anläßlich von hundert Jahren Kino mithilfe des "verkannten Erfinders und Autodidakten" S. das Medium Film doch noch national zu reklamieren.

 

Ja, der Wenders-Film (der ja eigentlich ein Studentenfilm ist) war schwer enttäuschend. Irgend etwas Nationales konnte ich dabei aber nicht entdecken, der Film war im Gegenteil völlig harmlos. Das einzig "Nationale" ist offenbar deine Angst, wir könnten wie Franzosen oder Amerikaner den ein oder anderen unserer Filmpioniere ins Rampenlicht rücken. Die Amis lassen sich ja auch nicht davon beirren, das Edison elektrische Stühle gebaut hat, er ist mit Recht trotzdem ihr größter Erfinder. Also, etwas weniger "german angst", dann klappts auch mit der Sympathie für Skladanowsky.

 

 

Wann die erste Vorführung, die erste öffentliche Vorführung, die erste vor zahlendem Publikum usw. war, ist eigentlich auch nicht so wichtig.

 

Oh nein, das war jahrzehntelang die Ausflucht deutscher Filmhistoriker, damit sie sich nicht mit "dem Bastler" Skladanowsky beschäftigen mußten, der im Sandkasten mit den Großen spielen wollte. Schon wieder die "german angst". Natürlich ist es sehr wichtig, wann wo von wem die erste Filmvorführung auf Leinwand vor zahlendem Publikum stattfand. Was nicht so wichtig ist, ist die Frage, ob es weltweit dafür einen Beleg gibt oder nur jeweils für Amerika oder Europa. Im Gegenteil, so kann halt jeder seine Helden haben...

 

Skladanowsky hat sicher seinen Platz in der Reihe der vielen Tüftler und Bastler auf dem Weg zur Kinematografie, aber sich als Begründer der Filmindustrie zu gebärden, wie er es in späteren Jahren tat, ist unhaltbar.

 

Es ist recht unerheblich, welche Entwicklung ein Erfinder nach seiner Erfindung macht. Es ist auch ziemlich egal, wenn er irgendwann unhaltbare Behauptungen aufstellt (wie Skladanowsky). Die Erfindung ist das Wichtige. Das ist ja gerade das fachliche Desaster der deutschen Filmhistoriker gewesen (und teilweise noch immer), das sie sich allzu gerne mit der Persönlichkeit von Skladanowsky beschäftigte. Die gefiel ihr nicht, und also der ganze Mann samt Erfindung nicht.

Und immer dieses überflüssige Herumhacken der Filmhistoriker auf seinem "Kleinbürgertum". Als wenn das was mit seiner Erfindung zu tun hätte, außer, das es ihm Ehre machte, mit sehr bescheidenen Mitteln vor den Großindustriellen Lumiere das Rennen gemacht zu haben.

Auch Joachim Castan (dein Literaturhinweis) konnte seine Geringschätzung mit Skladanowsky nicht verhelen, weil er "Kleinbürger" war. Castan gibt sich gar keine Mühe, das zu verbergen.

 

Im Grunde könnte man auch Dickson/Edisons Festlegung des 35-mm-Formates für das Kinetoscope nehmen, auch wenn die entstandenen Filme noch nicht projiziert, sondern nur per Okular&Scheibenblende bei kontinuierlichem Lauf direkt betrachtet wurden!

 

Edison baute bloß "Guckkästen", nicht weil er nicht anders konnte (er konnte sehr wohl anders), sondern weil er nicht anders wollte. Er versprach sich von den Guckkästen mehr Einnahmen, und lange behielt er auch recht. Als dann z. B. die Lumieres so viel Erfolg hatten, schwenkte er um, baute ebenfalls Projektoren für Leinwandvorführungen, aber natürlich zu spät, um "Erster" rufen zu können. Diesen Fehler hat er später auch eingeräumt.

 

Danke für den Literaturhinweis "Living Pictures", das kannte ich noch nicht.

 

Brillo

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und schon im jahre 1901 beschwert man sich über die kopien:

 

"Filme französischer Fabrikation sind meistens sehr gedeckt, brauchen deshalb sehr starke und helle Beleuchtung; die englischen und amerikanischen Filme sind dagegen glasklar, lassen sich auch bei geringerer Beleuchtung gut projizieren."

Und das Nitromaterial brannte auch so eklig gelbstichig... dafür gabs damals noch nicht so vieleTonprobleme :)

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Auch wenn die Erfindung des Kinos den französischen Gebrüdern Lumière zugeschrieben wird (...)

 

Es gab keinen Erfinder des Kinos. Kino ist nicht, wenn ein Film in einem Projektor startet. Kino waren auch nicht die Filme der Filmpioniere. Kino ist, wenn Film seßhaft wird, und das hat ein paar Jährchen nach den ersten Vorführungen gedauert. Es gab daher sehr wohl Erfinder des Films, aber nicht des Kinos, es sei denn, man will hierzu die ersten Inhaber von Ladenkinos zählen. Von mir aus gerne, aber das macht halt nicht so viel her.

Wenn es keinen singulären Erfinder des Kinos gäbe, dann auch nicht pluralische Erfinder des Films: irgendjemand muß erfinderisch sein. Wer als erster einen fest ansässigen Regelbetrieb gegen Eintritt praktizierte oder (immobilien-geschichtlich betrachtet) Räume hierfür anmietete, könnte noch vor Aufkommen des Begriffs der Kinematographen-Theater als erster gewerblicher Kinobetreiber in Erwägung gezogen werden. Somit verstehe ich nicht Deine Präferenz der Filmerfinder einerseits gegenüber der angeblichen Belanglosigkeit der Frage nach dem Kinoerfinder andererseits, zumal beide Akteure auf vorhergehenden Entwicklungen (entweder Schaustellerbetriebe mit Laterna Magica und Reihenfotografie bis hin zum kommerziellen Varieté, auf Theater ebenso wie auf photochemisches Material, d. h. "film" = "Häutchen") zurückgreifen konnten, die beide synergistischzum "Kino", zur Industrialisierung führten.

Meine Deutungsvariante lautet wie folgt: Erst der perforierte Rollfilm, den George Eastman 1889 auf den Markt brachte, schuf die Grundlage für die massenhafte Verbreitung bewegter Bilder im „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ (Walter Benjamin) und für die arteigenen kollektiven Wahrnehmungsweisen des 20. Jahrhunderts. Die Perforation (lateinisch: perforatio = Lochung) ermöglichte mechanischen Hub-Greifern ihren präzisen Fortschaltmechanismus auf eine beliebig lange, phasenweise unterteilte Bilderfolge anzuwenden. Ausdrücklich gibt es aufgrund paralleler Geräteentwicklungen in der Laufbildphotographie folglich keine einzigartigen Erfinder des Kinos, noch weniger als in der Photographie – auch wenn die französischen Brüder Lumière sowie die deutschen Brüder Skladanowsky bis in jüngste Zeit als „Kinoerfinder“ gehandelt und national verklärt werden. Wir müssen und an "viele Erfinder" erst noch gewöhnen, um den Schöpfermythos auch als machtkonstitutiven Faktor zu erhellen.

 

Die Filmwissenschaft hat inzwischen die Sache mit der Skladanowsky-Premiere zu den Akten gelegt.

 

[...] Was er im November 1895 im Wintergarten zeigte, war die erste öffentliche Filmvorführung auf Leinwand vor zahlendem Publikum.

 

Am 20. Mai 1895 fand ebenfalls in New York die vermutlich erste Filmvorführung vor zahlendem Publikum statt.

Ja, im Madison Square Garden. Sind also alle diese Vorführungen als jeweils die erste deklarierbar? Eher nicht. Und das spräche gegen Skladanowsky ebenso wie gegen Lumière als Galionsfiguren des Weltkinos.

Die amerikanischen Vorführungen sind durchaus durch Presse, Rezensionen und Patentanmeldungen belegt, die m.W. am besten belegte wissenschaftliche Arbeit hierzu stammt von Deac Rossell, der auch Kurator der Ottomar-Anschütz-Ausstellung vor einigen Jahren war

[...]

Richtig ist auf jeden Fall, daß es keinen "Erfinder des Films", noch weniger des Kinos gab, weil sich weltweit Erfinder auf verschiedenen Wegen und mit verschiedenen Ansätzen der Lösung des Problems der "Lebenden Bilder" genähert haben. Wann die erste Vorführung, die erste öffentliche Vorführung, die erste vor zahlendem Publikum usw. war, ist eigentlich auch nicht so wichtig.

Schon aufgrund der amerikanischen (und französischen) Patentanmeldungen und zeitgenössischen Fotos schwankt die Erfinder-Mythos in den Historiographien um so stärker. Dennoch ist es methodologisch keinesfalls unwichtig - gerade bei Bewertung der Herausbildung der Theater- und Verleiherstrukturen -, wann die erste Vorführung vor zahlendem Publikum war, da hier immerhin ein Massenmedium und kein Laborversuch Gegenstand einer anhaltenden Beschäftigung mit der Bewegtbildfotografie geworden ist. Daher gilt es, genauer zu argumentieren.

]Der Filmpionier und Kameramann Guido Seeber hat bereits 1935 in einer sehr schlüssigen technischen Analyse erläutert, warum Max Skladanowskys Erfindung nicht den Anspruch auf die erste Filmvorführung der Welt stellen kann, als Faksimile nachgedruckt in dem Buch.

 

Seeber war damals stark im "Erfinderstreit" involviert und alles andere als eine neutrale Person. Seine technische Analyse ist aber aus einem ganz anderen Grund völlig nutzlos. Die Frage war damals wie heute: Was ist eine Filmvorführung? Dafür gibt es nette hochkomplizierte Erklärungen (wie die von Seeber), lassen aber den entscheidenden Punkt außer acht, nämlich das es damals wie heute ziemlich egal ist, wie eine Filmvorführung zustande kommt. [...] Was das Publikum interessiert, ist der Output. Wie das erreicht wird, ist ihm egal, und warum auch nicht.

Was hätte Seeber wohl zu digitalen Filmvorführungen gesagt? [...] Das Ding [skladanowsky - Einfügung von @cinerama] war eine Filmvorführung, weil es danach aussah. So einfach ist das.

Du meinst m.E. eine Bewegtbildvorführung: in diese fiele natürlich auch der Begriff einer elektronischen Projektion. "film" = "Häutchen" bezieht sich aber auf einen photochemischen Bildträger gleichermaßen der Standbild- und Bewegtbildfotografie.

[...] Das einzig "Nationale" ist offenbar deine Angst, wir könnten wie Franzosen oder Amerikaner den ein oder anderen unserer Filmpioniere ins Rampenlicht rücken. Die Amis lassen sich ja auch nicht davon beirren, das Edison elektrische Stühle gebaut hat, er ist mit Recht trotzdem ihr größter Erfinder. Also, etwas weniger "german angst", dann klappts auch mit der Sympathie für Skladanowsky.

Die Angst vor nationaler Überhöhung und Verklärung ist durchaus berechtigt, denn es werden Erfindergeist, Telos & Ethos im Dienste des Staates vereinnahmt. Demgegenüber gibt es einen Ethos der Naturwissenschaftler und auch Künstler (Riefenstahl-Debatten). Skladanowsky ist somit - trotz einiger Schausteller-Verdienste - aufgrund seiner späteren vorsätzlichen "Umdatierungen" seiner Patente und seiner Bereitschaft, sich von einer Regierung als Erfinder des Kinos verklären zu lassen, keine sympathische Persönlichkeit.

 

Wann die erste Vorführung, die erste öffentliche Vorführung, die erste vor zahlendem Publikum usw. war, ist eigentlich auch nicht so wichtig.

 

Oh nein, das war jahrzehntelang die Ausflucht deutscher Filmhistoriker, damit sie sich nicht mit "dem Bastler" Skladanowsky beschäftigen mußten, der im Sandkasten mit den Großen spielen wollte. Schon wieder die "german angst". Natürlich ist es sehr wichtig, wann wo von wem die erste Filmvorführung auf Leinwand vor zahlendem Publikum stattfand. Was nicht so wichtig ist, ist die Frage, ob es weltweit dafür einen Beleg gibt oder nur jeweils für Amerika oder Europa. Im Gegenteil, so kann halt jeder seine Helden haben...

Nationale Helden braucht man nicht. Die Suche nach den Erfindern und ersten Versuchen aber um so mehr.

Und ist die Frage wirklich unwichtig, ob es "weltweit dafür einen Beleg gibt oder nur jeweils für Amerika oder Europa"? Es ist solte in dieser Betrachtung alles gleich wichtig sein, sonst wird später einmal alles "unwichtig", steht zu befürchten.

 

Skladanowsky hat sicher seinen Platz in der Reihe der vielen Tüftler und Bastler auf dem Weg zur Kinematografie, aber sich als Begründer der Filmindustrie zu gebärden, wie er es in späteren Jahren tat, ist unhaltbar.

 

 

Es ist recht unerheblich, welche Entwicklung ein Erfinder nach seiner Erfindung macht. Es ist auch ziemlich egal, wenn er irgendwann unhaltbare Behauptungen aufstellt (wie Skladanowsky). Die Erfindung ist das Wichtige. [...]

 

Im Grunde könnte man auch Dickson/Edisons Festlegung des 35-mm-Formates für das Kinetoscope nehmen, auch wenn die entstandenen Filme noch nicht projiziert, sondern nur per Okular&Scheibenblende bei kontinuierlichem Lauf direkt betrachtet wurden!

 

Edison baute bloß "Guckkästen", nicht weil er nicht anders konnte (er konnte sehr wohl anders), sondern weil er nicht anders wollte. Er versprach sich von den Guckkästen mehr Einnahmen, und lange behielt er auch recht. Als dann z. B. die Lumieres so viel Erfolg hatten, schwenkte er um, baute ebenfalls Projektoren für Leinwandvorführungen, aber natürlich zu spät, um "Erster" rufen zu können. Diesen Fehler hat er später auch eingeräumt. [...]

Nur letzterer erscheint mir als ein produktiver Gedanke.

Klar ist: die Fragen nach den Erfindern und ersten anerkennenswerten Film-/Kinodarbietungen sind völlig legitim und nicht unwichtig, wie Ihr beide wechselweise anmerktet. Es erwächst nur daraus die Erkenntnis, das diese Fragen nicht aufgrund einer linearen Historisierung beantwortbar sind, sondern nach Unterschiedlichen Maßstäben beurteilbar und einordnenbarer werden. Das führt völlig weg von der Heldenfigur deutsch-fanzösisch-amerikanischer Provenienz und hin zu strukturellen Betrachtungen. Schöpfer und Helden überlassen wir gerne den Mythologien und Weltreligionen - in den Natur- und Sozialwissenschaften haben sie nichts verloren. :wink:

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Ja, der Wenders-Film (der ja eigentlich ein Studentenfilm ist) war schwer enttäuschend. Irgend etwas Nationales konnte ich dabei aber nicht entdecken, der Film war im Gegenteil völlig harmlos. Das einzig "Nationale" ist offenbar deine Angst, wir könnten wie Franzosen oder Amerikaner den ein oder anderen unserer Filmpioniere ins Rampenlicht rücken. Die Amis lassen sich ja auch nicht davon beirren, das Edison elektrische Stühle gebaut hat, er ist mit Recht trotzdem ihr größter Erfinder. Also, etwas weniger "german angst", dann klappts auch mit der Sympathie für Skladanowsky.

 

@Brillo:

Ich habe gewiß keine Angst, Max Skladanowsky seine filmhistorische Bedeutung zuzubilligen, genausowenig wie Oskar Meßter oder Ottomar Anschütz.

 

Mit "national" meinte ich nicht "national-chauvinistisch", es gab und gibt aber eine Tendenz, Figuren der Zeitgeschichte romantisierend herauszustellen, von ihrem historischen Kontext zu lösen und nach eigener Vorliebe setimental umzudeuten. Bei Wenders läßt sich das immer wieder beobachten, zum Beispiel in der Verwendung von Schauspielern wie Heinz Rühmann.

 

Aber das ist jetzt doch deutlich off topic, den einen stört's, den anderen nicht, und ehrlicherweise muß ich zugeben, daß es auch Jahre her ist, daß ich den Wendersfilm sah und mich nur an den negativen Gesamteindruck erinnere, nicht an Details.

 

Zustimmen würde ich Dir, daß Castans Bewertung von Skladanowsky etwas negativ ausfällt, aber die Fakten und Hintergründe, die er zusammengetragen hat, machten das Buch für mich zu einer sehr spannenden Lektüre. Im Vergleich dazu sind die hervorragenden Bücher von Deac Rossell über frühes Kino deutlich entspannter und sachlicher.

 

++++++++++++++++

 

"Kino ist für ihn, wenn zwei Männer an eine Mauer pinkeln, auf der ALABAMA geschrieben steht."

Kameramann Thomas Mauch über W.W.

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Hallo

 

Erinnere mich an eine Festschrift in Buchform, die ich nicht wiederfinde, die 1943 zu "50 Jahre Deutscher Film" herausgegeben wurde. Auf welches Ereignis bezieht sich diese Festschrift? Kann das nicht mehr erinnern, vielleicht jemand anderes.

 

Wenn schon Guido Seeber angesprochen wird, dann empfehle ich nicht die Lektüre des Buches über ihn, sondern seine Aufsätze über die Frühgeschichte der bewegten Bilder (erschienen in Filmtechnik 1929 / 1930), die eigentlich relativ exakt aus der Sicht eines Filmtechnikers, der zum Zeitpunkt des Geschehens lebte, aktiv tätig war, eine sehr schöne geschichtliche Zusammenstellung liefert, und u.A. auch den Skladanowsky Mythos zu Grabe trägt. Max S., nicht mehr als ein nicht besonders innovativer Nebelbilddarsteller in einer Nebennummer eines Variete Theaters.

Sich originaler Quellen zu bedienen, statt auf Sekundär- und Tertiärliteratur, oder gar auf das zu 95% fehlerhafte Internett zurückzugreifen, hilft manchmal mehr, als mancher glauben mag.

Auch wenns in technischen Unibiblitheken anscheinend nicht mehr gepflegt wird, die Quelltexte sind zu bekommen.

 

St.

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Der Text, auf den ich mich bezog, ist als Faksimile der damaligen Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift in dem erwähnten Buch "Das wandernde Bild" der SDK abgedruckt, ebenso die umfangreiche Replik eines NS-Professors, dessen Name mir im Moment nicht einfällt.

 

Noch lieber als das Internet sind mir allerdings DVD-Kommentare...

Seit ich den Kommentator der langen SOUTH PACIFIC-Fassung von der "30 frames version" des Films erzählen hörte, die dann durch "step printing" irgendwie auf 24B/s reduziert wurde, erwäge ich eine Zivilklage gegen Preston Sturges, der uns in Karlsruhe mit der 24-Bilder-Version in Todd-AO abgespeist hat! :lol:

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... die dann durch "step printing" irgendwie auf 24B/s reduziert wurde, erwäge ich eine Zivilklage gegen Preston Sturges, der uns in Karlsruhe mit der 24-Bilder-Version in Todd-AO abgespeist hat! :lol:

 

bitte, bitte auf jeden fall klagen ... es steigert das publikumsinteresse enorm und ein wiedereinsatz der kopie wäre durchaus anzudenken ...

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Wenn schon Guido Seeber angesprochen wird, dann empfehle ich nicht die Lektüre des Buches über ihn, sondern seine Aufsätze über die Frühgeschichte der bewegten Bilder (erschienen in Filmtechnik 1929 / 1930), die eigentlich relativ exakt aus der Sicht eines Filmtechnikers, der zum Zeitpunkt des Geschehens lebte, aktiv tätig war (...)

Seeber war 1895 genau 16 Jahre alt und gehörte daher natürlich nicht zur Generation der ersten Filmpioniere. Das es so etwas wie Filmvorführungen gab, hörte er erst 1896. Als Zeitzeugen der Vorgänge der ersten Filmvorführungen kann man ihn daher nicht reklamieren.

 

 

 

(...) eine sehr schöne geschichtliche Zusammenstellung liefert, und u.A. auch den Skladanowsky Mythos zu Grabe trägt.

Wie bereits erwähnt, war Seeber im damaligen von allen Seiten polemisch geführten "Erfinderstreit" stark involviert und daher alles andere als neutral. Die Filmindustrie (und Seeber als Teil der Filmindustrie) hatte keinerlei Interesse daran, das Skladanowsky objektiv bewertet wurde. Der alte und verbitterte Skladanowsky machte es ihr aber mit seinen unhaltbaren Behauptungen (Erfinder des Films etc.) auch sehr leicht. Messter war übrigens am Ende seines Lebens von Skladanowsky richtig besessen, weil er fürchtete, er müsse seinen Ruhm als Filmpionier teilen. In seinen letzten Jahren wurde er daher von seinen Verbündeten kaum noch in seinem Kampf gegen Skladanowsky (bzw. dessen Bedeutung) unterstützt, denn Messter war gräßlich unsachlich geworden. Sonderbarerweise erinnert man sich im Nachhinein aber nur noch an Skaldanowskys Polemik, nicht an die von Messter.

Aber all das kann uns heutzutage bei einer halbwegs objektiven Beurteilung der Vorgänge von 1895 völlig egal sein.

 

 

 

Max S., nicht mehr als ein nicht besonders innovativer Nebelbilddarsteller in einer Nebennummer eines Variete Theaters.

Nebelbildvorführungen waren als Vorläufer von Filmvorführungen ausgezeichnet geeignet, um die optischen Probleme der Realisation von Filmvorführungen zu erforschen. Ich kann daher nicht erkennen, das jemand, der Nebelbildvorführungen gelernt hatte (wie übrigens auch andere Filmpioniere), dadurch diskreditiert wäre.

Übrigens war es keine Nebennummer, sondern die Schlußnummer. 2500 Mark bekam er für vier Wochen, eine damals gewaltige Summe. Die Wintergarten-Betreiber hätten das sicher nicht für Kokolores ausgegeben...

 

Das ein Variete kein geeigneter Ort für eine frühe Filmvorführung wäre, war immer schon ein eigenartiges Argument. Was ist denn der geeignete Ort für eine frühe Filmvorführung? Ein Raum mit der Inschrift über dem Eingang: "Kinosaal?" 1895?

Was hat denn der kleine Kellersaal des Grand Cafes, in dem die Lumieres ihre Filmvorführungen zeigten, dem Wintergarten voraus? Das der Kellersaal nur für die Filmvorführung genutzt wurde und danach wieder als Mehrzweckraum? Der Rahmen ist doch für die nachträgliche Beurteilung, ob "richtige Filmvorführung" oder nicht, völlig nebensächlich. Wenn die Lumieres ihre Filmvorführung statt dessen in einem Variete, einem Theater oder einem geräumigen Großraumklo vorgeführt hätten, hätte sich an ihrer Erfindung und Verbreitung ihres bahnbrechenden Projektors nicht das geringste geändert.

Welche Gedanken sollten denn die Filmpioniere sich damals darüber machen, das Jahrzehnte später die Orte ihrer Filmvorführungen kritisch gewürdigt wurden? Natürlich gar keine. Was sie wollten, war so viele Menschen wie möglich erreichen. Und egal wie man Skladanowsky bewertet, das hat er glänzend erreicht. Aus damaliger Sicht gab es in Deutschland keinen Ort, der besser geeignet gewesen wäre als das Wintergarten-Variete. Er bekam sehr viel Publikum in einem prachtvollen Rahmen.

Übrigens fand auch Guido Seeber Varietes als Vorführstätte gut geeignet, er führte seine ersten Filme in einem Chemnitzer Variete auf. Das war damals völlig normal.

 

 

Sich originaler Quellen zu bedienen, statt auf Sekundär- und Tertiärliteratur, oder gar auf das zu 95% fehlerhafte Internett zurückzugreifen, hilft manchmal mehr, als mancher glauben mag.

Wie wahr.

 

 

Brillo

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Ich denke mal überschaubare 30 Jahre weiter, was wird dann aus unserem Forum geworden sein?

 

Wird es noch bestehen, wird es in irgendwelchen Google-Archiven gespeichert sein?

 

Wird es ein Bundesarchiv für Internetseiten geben?

 

Welche Wahrheiten werden Nachfolgegenerationen aus diesem Forum ziehen werden...

 

...mir wird ganz flau, bei den Gedanken hierüber... :roll:

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  • 3 Wochen später...

magentacine,

 

noch mal danke für den Literatur-Tip Deac Rossell "The Origins of the Movies". Habs mir besorgt, wirklich ausgezeichnet, sachlich, informativ, überraschend neutral und vor allem technisch versiert, was ja bei Filmhistorikern fast schon die Ausnahme ist. Einiges war mir schon bekannt, einiges war unbekannt und einiges wurde so gut beleuchtet, das sich neuer Erkenntnisse ergeben haben.

Allerdings wundere ich mich darüber, das nichts von dem, was du zu Skladanowsky schreibst, in Deac Rossells Buch wiederzufinden ist:

 

Die Filmwissenschaft hat inzwischen die Sache mit der Skladanowsky-Premiere zu den Akten gelegt.

Deac Rossell denkt da offenbar anders drüber. Allein im Vorwort wird Skladanowsky zweimal erwähnt, früher undenkbar bei einem amerikanischen Filmhistoriker. Später im Buch wird recht präzise auf Skladanowsky eingegangen.

 

 

 

Es gab in den USA Filmprojektionen, die zeitlich vor den Bioscop-Aufführungen lagen.

Ja, von den Gebrüdern Latham mit einem umgebauten Kinetoscope, (Edisons Guckkasten), bei dem aber das alte Problem des ruckweisen Filmtransports nicht gelöst war. Im Ergebnis fanden die Vorführungen mit kontinuierlich bewegtem Film statt, was die Vorführqualität stark einschränkte. Trotzdem richteten die Lathams in der Tat so Leinwandvorführungen (mit Zelluloid-Streifen) aus, nach allem, was man weiß, die ersten in den USA und damit die ersten überhaupt. Rossell drückt sich allerdings vor der Aussage "die weltweit ersten Leinwandvorführungen mit Zelluloidstreifen", er erwähnt nur die USA-Bedeutung und das Datum. Das Datum 21. April 1895 sagt aber alles. Rossell hat wohl recht mit dieser Zurückhaltung, da die technischen Übergänge so fließend waren, das man sich jahrelang fruchtlos darüber streiten kann, was denn nun eine richtige Filmvorführung ist und was nicht.

 

 

 

Eine gute Zeitleiste der Pioniere und Daten findet man z.B. hier:

http://www.filmsite.org/milestonespre1900s.html

Kein guter Tip, denn eine fast völlig amerikanisch-englische Angelegenheit. Es fehlt ja sogar Anschütz, der alle Filmpioniere mit seinem "Schnellseher" stark beeinflußt hat. Rossell widmet ihm im "The Origins of the Movies" nicht nur viel Text, er hat über Anschütz sogar ein eigenes Buch geschrieben.

 

 

 

Projektion von photographisch hergestellten Serienbildern gab es schon bei Ottmar Anschütz, der mit seinem "Projektions-Schnellseher" hochwertige Aufnahmen in Großprojektion zeigte.

Ja, das war aber definitiv Chronophotographie (Momentfotografie), und Anschütz wollte auch nichts anderes, der Mann war Fotograf und wollte es auch bleiben. Die Serienaufnahmen auf Glas des "Schellsehers" ergaben kaum eine Sekunde "Film". Selbst bei minimalster Definition einer Filmvorführung reicht das einfach nicht aus.

 

 

 

Der Skladanowsky-Doppelprojektor, der aufgrund seines langsamen Schaltwerkes zwei Filmbänder benötigte, um auf eine ausreichende Bildfrequenz zu kommen, wird heute als Ausläufer der sog. Chronophotographie betrachtet.

Auch darüber finde ich bei Rossell nichts, obwohl er die Chronophotographie (Momentfotografie) ausführlich behandelt. Skladanowsky ordnet er jedoch keineswegs unter Chronophotographie ein, das machten die Filmhistoriker vergangener Epochen (die Rossell vorsichtig kritisiert).

Rossell sagt über Skladanowskys Wintergartenvorführung etwas ganz anderes: ...and on that date (1.November 1895) he initiated the first public screenings of moving pictures for a pay audience in Europe. Erste Filmvorführung vor öffentlichem und zahlendem Publikum in Europa. Interessant, nicht wahr? Es ist schon spaßig, das Skladanowsky den Umweg über amerikanischer Filmhistoriker gehen muß, denn die deutschen Filmhistoriker haben ihn ja so kleingeredet, das er schließlich fast unsichtbar wurde.

 

Gar nicht geht Rossell auf die manchmal geäußerte Vermutung ein, Skladanowsky hätte seine Darsteller in Zeitlupe spielen lassen, um so beim Vorführen Schwierigkeiten mit der Bildfrequenz seiner Kamera zu mildern. Das das nicht sein konnte, kann man schon an der Thematik der Wintergarten-Filme erkennen: Artisten- und Tanzfilme. Reckturnen in Zeitlupe dürfte schwierig sein...

 

 

 

Was Rossell noch erhellt hat: Die Sache mit dem Malteserkreuz. Ich dachte ja auch bis dato, Messter hätte das Malteserkreuz aus dem industriellen Umfeld, in dem es damals längst bekannt war, als erster in einen Filmprojektor eingebaut. Rossell weist nach, das dem nicht so war. Messter hat es sich von einem anderen Filmpionier, dem Engländer Robert William Paul, abgeschaut. Der hatte nämlich über die Jahreswende 1895/96 einen Filmprojektor namens Theatrograph gebaut und dort ein Malteserkreuz verwendet (natürlich noch außen angebracht, wie damals üblich). Im Frühjahr 1896 gab Robert William Paul den Theatrograph Messter zur Reparatur, und der erkannte den Vorteil dieses Malteserkreuzes. Messter baute daher seinen ersten Projektor ein paar Monate später ebenfalls mit Malteserkreuz und lieferte ihn am 15. Juni 1896 aus. Hier ein Bild des Theatrograph: http://www.victorian-cinema.net/theatrograph.jpg

Wenn man das Bild abspeichert und in einem Bildbearbeitungsprogramm heranzoomt, kann man sogar den Nocken sehr gut erkennen, der ins Malteserkreuz greift.

Über Messter findet sich hier ein informativer Text von Deac Rossell, allerdings in englisch: http://www.victorian-cinema.net/messter.htm

 

Aber Rossell hat noch mehr auf Lager: Er weist nach, das das Malteserkreuz bereits 1890 (!) vom Filmpionier Louis Le Prince verwendet wurde. Original-Geräte von Le Prince haben sich zwar nicht erhalten, aber eine Konzeptzeichnung seiner damaligen Kamera: http://www.acmi.net.au/AIC/LE_PRINCE_JSMPTE_FIG_7a.GIF

Deutlich im unteren Bereich das Malteserkreuz zu erkennen.

 

Lustig ist, daß ich zumindest das Bild des Theatrograph schon lange kannte, aber es hat nie Klick gemacht. Dabei ist das Malteserkreuz nicht zu übersehen...

 

 

Brillo

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