Hallo,
das ist einer der blödesten Zufälle, die ich mir vorstellen kann. Lange ist es her (mehr als 20 Jahre), dass ich bei Claus Michael Sierp ein paar Monate lang im Praktikum war. Ich war damals noch in der beruflichen Findungsphase, und ein Jahrespraktikum wurde dank guter Kontakte aufgeteilt – um neben der Fotografie auch ein wenig die Werbebranche kennenzulernen. Soweit zur Vorgeschichte.
Wie habe ich ihn wahrgenommen? Die ersten Male, als ich ihn im Fotostudio (meinem eigentlichen Praktikumsplatz) gesehen habe, wurde mir ziemlich schnell klar, dass es keine Schublade gibt, die auch nur annähernd diese Menge an Eindrücken fassen könnte. Soweit ich mich erinnere, war es der Zopf, das „Piratenhemd“ und, glaube ich, immer ein Schal, der ihn kleidete. Das war wohl wirklich sein Ding in Sachen Kleidung! Anfangs war ich durch seine freudige und aufgeweckte Art auch ein wenig eingeschüchtert, wenn er auftauchte. Andererseits konnte man sich diesem Charakter in keiner Weise entziehen.
So jemanden hätte ich eher in einem Film erwartet.
Nach einiger Zeit durfte ich den Praktikumsplatz tauschen, und mein morgendlicher Weg führte mich zur Trio Westag-Werbeagentur.
Und da begann eine wirklich tolle Zeit – in einem der großartigsten Büros, die ich je kennenlernen durfte. Schon im Jahr 2004 (oder war es 2003?) ein Fiebertraum aus Raritäten, Requisiten und Technik, mit denen er selbst in der „modernen Zeit“ seinen Arbeitsalltag umgab. Während in der Agentur die Produktion auf Hochtouren lief, mit Top-Hardware für grafische Ergüsse und durchdachte Werbeclips, saß ich oft zwei Räume weiter und durfte mich an einem alten NeXT Cube mit Betamax im halbdigitalen Schnitt ausprobieren. Dazu gab es in den Pausen Walgesänge, generiert von einem speziellen, altertümlichen Soundprozessor. Das war in seinem eigentlichen „Büro“. Ich weiß noch, dass ich meist auf einem interessant geformten Designerstuhl aus vergangenen Zeiten saß – zwischen zwei riesigen Löwen-Statuen, die, wenn ich mich recht erinnere, Requisiten aus Ben Hur waren … oder etwas Ähnlichem.
In dieser Zeit durfte ich auch ein paar Mal das Museum sehen. Meine Erinnerungen daran sind nicht mehr so detailliert – aber es war auf jeden Fall nicht weniger beeindruckend als seine Arbeitsstätte.
Und zu den Außenterminen (Tonstudios etc.) ging es immer mit einem Oldtimer durch die Kölner Innenstadt. Ein Rechtslenker. Der Firmenname fällt mir im Moment nicht mehr ein. Eigentlich rede ich gerade über Besitztümer – was ja auch in diesem Forum hier interessant ist. Aber sie unterstreichen nur die Leidenschaft eines besonderen Menschen.
Es ist lange her, und ich muss bei meinem ersten Post hier nicht übersentimental werden. Aber ich habe wirklich positiv prägende Erinnerungen an dieses Praktikum.
Natürlich war es auch die technische Begeisterung, die es zu einem Highlight machte. Aber vor allem habe ich menschlich viel gelernt – als junger Mann in meiner „Gruftie-Phase“. (Ich glaube, dass er sich ohnehin wenig von den Äußerlichkeiten anderer beeinflussen ließ.) Seine Sicht auf die Dinge hat mir immer wieder die Augen geöffnet. Meine Wahrnehmung von Menschen hat er geprägt. Und ich kenne nur sehr wenige, die einem so wach und fröhlich ihre Aufmerksamkeit schenken – und dabei so unvoreingenommen sind, dass man sich selbst hinterfragen muss.
Jetzt, gut 20 Jahre später, sitze ich auf der Couch und dachte mir: „Was machen eigentlich die Menschen, die mein heutiges Berufsleben beeinflusst haben?“
Mir war klar, dass ich nicht auf Instagram nachschauen musste … Aber dass Google mir ausgerechnet deinen Forumsbeitrag ausspuckte – so nah an diesem schlimmen Ereignis – wirkt auf mich fast wie eine makabre Fügung.
Ich bin froh, dass ich mir diesen Text von der Seele schreiben konnte. Und wenn ich nach über 20 Jahren ohne Kontakt noch so viele gute Erinnerungen an diesen Menschen habe, dann werde ich ihn auch noch lange in meinem Herzen tragen.
Beste Grüße,
Auch wenn es vielleicht nicht so viele lesen werden.