Hallo – weiter geht´s (das geht bei mir leider immer in Monats-Schritten, manchmal auch Jahre …)
Erst einmal noch vielen Dank für die letzten Antworten!
Nun habe ich begonnen, die kleine alte Kamera genauer zu untersuchen und dabei ziemlich viel herumprobiert und herausgefunden:
Allgemein: Ganz kurz noch mal am Anfang: Es handelt sich um eine Cine-Nizo 16A-Kamera, die ich vor einigen Jahren für 10 Euro auf einem Berliner Flohmarkt gekauft habe. Die Kamera ist äußerlich sehr ähnlich der im Internet sehr häufig auftauchenden Cine-Nizo 8E, nur 1-2 cm größer und ein wenig dicker. Bedienelemente, Federaufzug und optische Einrichtungen sind ziemlich gleich wie bei der 8E; Im Internet habe ich über Jahre nur ein einziges Mal eine andere Kamera dieses Typs auf einer englischen Webseite gesehen. Es scheint ein seltenes Gerät zu sein, nicht zu verwechseln mit einer anderen, größeren Cine-Nizo 16 aus den frühen 30er Jahren. Meine Kamera hat im Innern einen kleinen Inventar-Aufkleber(„Wasserbild“): ufa-Filmgesellschaft m.b.H, Berlin SW; Vielleicht ist sie früher einmal als Reporter-Kamera oder für andere „schnelle“ Einsätze genutzt worden ? Die Kamera muß mit Filmkassetten beladen werden und benötigt doppelt perforiertes 16mm-Filmmaterial.
Ich bin kein Hobby-Filmer. Meine Foto und Film-Erfahrung fußt auf Papis Super-8-Kodak-Fixfocus-Kamera sowie Kleinbildfotographie und Schul-Fotolabor vor 30-35 Jahren. Nichts desto trotz bin ich seit vielen Jahren ein Liebhaber und Bastler technischer Antiquitäten und habe ein gutes technisches Verständnis und praktisches Gefühl für diese Dinge. Mich erfreut jedes Mal besonders, daß man an solch alten Geräten – auch als Laie – so viele Zusammenhänge und Funktionen allein mit ein wenig gesundem Menschenverstand und genauer Beobachtung erfassen kann.
Was ich hier jetzt aber beschreibe, mache ich zum ersten Mal und habe natürlich nicht den technischen Hintergrund und das Fachwissen vieler anderer hier im Forum. Deshalb bitte ich um Nachsicht, falls einige Dinge nicht so korrekt beschrieben werden oder etwas naiv dargestellt sind.
Also: los geht´s!
Verschluß: Der Verschluß flottiert tatsächlich auf und ab und hat keine runde, sich drehende Verschlußscheibe.
Bildfrequenz: Gemessen mit selbst gebastelten Vorrichtung mittels Fotodiode und Audiacity-Audioprogramm. Interessant: Bei Eeinstellung 8 fps à real ca. 16 fps; Bei Einstellung 16 fps à real 24 fps; bei Einstellung 32 fps à real ca 35 fps.; Kann das Zufall sein ? Ich glaube nicht. Bestimmt hat jemand den Fliehkraftregler modifiziert – vielleicht im Rahmen der „professionellen“ Nutzung durch die UfA, aus deren Bestand das Gerät zu stammen scheint (siehe oben)?;
Verschlußzeit: Ebenfalls gemessen mit Fotodiode: Bei 16 fps: ca. 1/40 s; bei 24 fps: ca. 1/70 s; bei 32 fps: ca 1/90 s;
Gleichlauf: Die Feder läuft manchmal ungleichmäßig ab, d.h. es kommt während des Ablaufens zu gelegentlichem Ruckeln. Das kann der Fliehkraftregler nur bedingt ausgleichen, so daß es dann eine kurze hörbare Gleichlaufschwankung gibt. Wahrscheinlich ist das Federblatt ineinander verklebt (verharzt o.ä.).
Generell wundere ich mich aber, wie konstant die Bildfrequenz ist. Ich habe sowohl ohne Film als auch mit Film und sowohl mit voll aufgezogener Feder als auch bis zum Stillstand des Motors bei abgelaufener Feder gemessen und bin jedes Mal annähernd auf die gleichen Bildfrequenzen gekommen. Die Kamera erreicht auch sehr schnell ihre „Sollgeschwindigkeit“: Beim Starten ist lediglich die erste Bildzeit noch minimal verlängert, danach herrscht Gleichlauf. Bei abgelaufener Feder sind lediglich die letzten 2-3 Bildzeiten vor dem Stillstand etwas verlängert. Finde ich - bar jedes Fachwissens und jeder Vergleichsmöglichkeit – für eine fast 90-jährige Kamera mit unbekannter Vorgeschichte intuitiv nicht so schlecht.
Laufzeit und Filmlänge: Die Filmkassetten fassen 12 Meter, maximal 15 Meter; Die Filmlängenanzeige an der Kamera lässt sich auf maximal 12 Meter einstellen. Das voll aufgezogene Laufwerk läuft bei 16 fps ca. 25 Sekunden und bei 24 fps. ca 15 Sekunden. Sowohl Filmlänge als auch Laufzeit sind also kein Traum.
Sucher und Parallaxenverschiebung: Die Kamera besitzt drei Sucher, genauso wie das bauähnliche Modell Cine Nizo 8 aus der gleichen Zeit; Ich habe versucht, die Parallaxenverschiebung des von der Rückseite nach vorne verlaufenden Durchsichtsuchers, des typischen „Hauptsuchers“, zu ermitteln oder zu berechnen: Ich habe für definierte Abstände die Bildmittelpunkte (eingraviertes Fadenkreuz) und Maße des Sucherbildausschnittes mit den Mittelpunkten und den Maßen des tatsächlich auf den Film projizierten Bildes auf einer Tafel aufgetragen und miteinander verglichen. Dafür habe ich das real auf den Film projizierte Bild durch eine auf der Filmbühne aufgeklebte Matt“scheibe“ (mattes Tesafilm) mittels einer in die Kamera installierten kleinen USB-Kamera betrachtet. Mittels Laser-Pointer wurden die Bildgrenzen und Mittelpunkte ermittelt. Etwas kompliziert zu beschreiben. Ergebnis: Ab unter 2 Meter Fokusdistanz Parallaxenverschiebung beachten, richtig deutliche Verschiebung ab unter 100 cm Abstand. Die Bildmitte des aufgenommenen Filmbildes verschiebt sich auf einer Achse von ca. 34 ° abweichend vom Sucherbildmittelpunkt nach links unten (Richtung 19 Uhr). Die maximale Parallaxenabweichung bei 50 cm entspricht – oh Wunder – der im Sucher angebrachten Dreieck-Markierung einigermaßen, und das, obwohl der gesamte Sucher ziemlich grobschlächtig konstruiert ist. Das Sucherbild ist, verglichen mit modernen Kameras und Fotoapparaten, furchtbar: Sehr (!) klein, etwas verzerrt, keine Sehschärfenkorrektur …;
Seitlich neben der Aufnahmeoptik befindet sich eine (vermutlich nachträglich) angebrachte Halterung für einen aufsteckbaren Durchsichtsucher. Im Internet habe ich keinen zu diesen Halteschienen passenden Sucher gefunden. Der Multifokalsucher von Bolex H16 passt da jedenfalls nicht dran. Einen guten Zusatzsucher zu haben wäre ein echter Traum im Vergleich zu dem eingebauten Sucher …
Später habe ich versucht, das alles auch noch zu berechnen mittels Brennweite, Abstand, Bildgrößen und Ausmessung der Anordnung von Sucher- und Aufnahmeoptik. Die Rechenwerte entsprechen tatsächlich einigermaßen meinen empirisch durchgeführten Messungen. Ich bin sehr stolz, denn in Physik hatte ich früher meistens eine 5;
Objektiv: Meyer-Görlitz Trioplan f 2 cm, 1:2,8; Pilzbefall sehe ich nicht, kann sein, daß eine leichte schleierhafte Trübung vorliegt, aber da bin ich mir noch nicht mal sicher. Blenden- und Entfernungseinstellung waren zunächst etwas schwergängig, das hat sich aber irgendwie von selber gegeben, je mehr ich das Objektiv wieder benutzt habe. Geölt habe ich da nichts, weil ich mir vorstelle, daß Öl mit der Zeit auch zwischen die Linsen kriechen könnte.
Bei der Mattscheibenbetrachtung des auf die Filmebene projizierten Bildes fiel mir eine relativ starke Randabschattung auf, ich denke, daß kann man aber nur anhand realer Filmaufnahmen wirklich beurteilen.
Das größte Rätsel für mich sind die Einstellungsmarkierungen auf dem Objektiv: Roter Punkt bei 5 Meter, grüner Punkt bei ca, 2,5 Meter, rot Blende 4; Vermutlich ist der rote 5-m-Punkt der Hyperfokalpunkt bei Blende 4 und der grüne 2,5-m-Punkt der Hyperfokal-Nahpunkt oder ein Hinweis auf zunehmende Parallaxenverschiebung bei < 2 Meter Abstand. Das alles ließ sich aber durch sämtliche Berechnungen über entsprechende (Internet-)Formeln nicht nachvollziehen. Dafür fehlt mir aber wirklich die Kompetenz und auch die nötige Großhirnmasse. Fall mir in diesem Punkt jemand weiterhelfen könnte, wäre ich wirklich dankbar.
Filmkassette: Grüne lang-ovale Blechkassetten von AGFA; Dieselben Kassetten verwenden frühe AGFA-MOVEX 16-Filmkameras, das habe ich inzwischen einige Male im Internet gesehen. Diese Kassetten waren jahrelang im Internet nicht aufzutreiben. Nun waren in kurzer Folge mehrere für kleines Geld zu finden, welch ein Glück! Die Kassetten sind nicht leicht zu öffnen, dafür muß ich mir noch eine Einspann-Vorrichtung basteln. Im Innern befinden sich zwei Wickelkerne, in die der Film mittels eines Flachfederringes eingeklemmt wird. Ursprünglich wohl vorgesehen für 12 Meter. Nach Ausprobieren fasst die Kassette aber 15 Meter. Ich habe mir eine Aufwickelvorrichtung gebaut, mit der ich 15 Meter Film im Dunkeln von einer 30-Meter-Spule abwickeln und auf den Wickelkern aufwickeln kann. Die Längenmessung richtet sich nach der Anzahl der von Hand ausgeführten Kurbel-Umdrehungen, das habe ich zuvor mit altem Filmmaterial ausprobiert. Gar nicht so einfach, den Film im Dunkeln in die Filmkassette einzufädeln und wieder alles zu verschließen.
Die Vergleichskamera: Zum Vergleich habe ich eine billige, ziemlich vergammelte Cine-Nizo 8E aus dem Internet ersteigert. Bevor ich mich demnächst an die Öffnung und mechanischen Wartung meiner „guten“ Kamera mache, habe ich dieses Vergleichsmodell „geschlachtet“; Ich musste schon gewaltig grübeln, wie ich das Gerät überhaupt öffnen konnte. Letztendlich habe ich aber alles hinbekommen und über die nahezu unzerstörbar wirkende Mechanik, insbes. den Fliehkraftregler, im Inneren der Kamera gestaunt. Demnächst werde ich mich mit allem Feingefühl und den gemachten Erfahrungen dem Innenleben der 16A zur Reinigung und zum Schmieren widmen.
Der Probe-Film: Leider teilte Herr Draser von Andec-Film in Berlin meinen Enthusiasmus bisher nicht so sehr. Kann sein, daß man mir meine Laienhaftigkeit zu sehr anmerkt. Ich denke, daß die Leute aus der Branche das nicht gerne sehen: Schon wieder einer, der auf dem Flohmarkt irgendeine verrottete Kamera gefunden hat und die nun unbedingt ausprobieren will, obwohl von nix keine Ahnung … Naja, Trotzdem habe ich jedoch einen Probefilm gedreht. Mal sehen, was dabei herausgekommen ist. Die Entwicklung ist noch nicht fertig. Ich bin hoch gespannt …;
So, soviel erst einmal für die, die es interessiert …
Viele Grüße, Jan