Hallo cinerama,
im Grunde kann ich dir in allen Punkten recht geben. Und trotzdem muss ich dir widersprechen.
Es ist doch heute so, dass hochspezialisierte Fachleute auch noch den kleinsten Unterschied feststellen können. Doch für meine Begriffe sind sie zu spezialisiert und sehen vor lauter Wald die Bäume nicht.
Letzten Endes ist doch alles subjektiv. Und wie sich das auswirkt, möchte ich an zwei Beispielen schildern. Es sind wahre Geschichten, die sich wirklich ereignet haben.
Da gab es in einem Programmkino eine Vorführung mit einen Full HD Film, was heißt 2 k Auflösung bei Anwesenheit des Filmemachers. Es stand aber nur ein Beamer mit XGA Auflösung zur Vefügung, was der Filmemacher aber nicht wußte. Aber es war ein sehr guter Beamer.
Nach der Vorführung kam der Filmemacher zum Filmvorführer und bedankte sich für tolle Vorführung und die gute Qualität. Es war angeblich die beste Vorführung, die er erlebt hat.
In einem anderen Fall, auch ein Programmkino, aber ein anderes, stand zur Filmvorführung der Film als 35mm Kopie zur Verfügung. Aber es stellte sich heraus, das die Filmkopie nicht so doll war. Man entschloss sich, den Film von einer normalen DVD vorzuführen, weil die besser aussah. Das fanden auch die Zuschauer.
Soviel zur subjektiven Wahrnehmung.
Und ja, ich bin begeistert von dem Fortschritt, den die digitale Technik macht, denn sie bietet auch neue Möglichkeiten. Zum Beispiel auch für Filmemacher. Für ihn ist das einfach unglaublich, was heute dank digitaler Technik möglich ist. Alles ist viel einfacher und bietet wesentlich mehr Qualität. Natürlich hat Film einen anderen Look. Aber HD-Video bietet ganz andere Arbeitsweisen. So kann man mit kleinerem Team drehen und mit geringeren Kosten, wovon in den letzten Jahren vor allem viele gute und erfolgreiche Dokumentarfilme profitiert haben. Ob die Möglich gewesen wären ohne die Digitaltechnik bezweifle ich. Wenn aber schon bei der Aufnahme immer öfter Digital produziert wird, wieso soll man dann nicht auch Digital projezieren?
Es gibt dabei nur zwei Probleme:
Erstens braucht man immer auch noch eine gute Geschichte und alles weitere, was nötig ist, um einen guten Film zu machen.
Und zweitens gibt es immer mehr Filmemacher und Filme, die Punkt 1 ignorieren und nur Filme machen, weil es so viel einfacher möglich ist.
Die Schwemme von Filmen, auch z.B. bei Youtube bewirkt, dass das Niveau von Filmen und damit auch der Wert von Filmen immer weiter nach unten geht.
Die Konsequenz wäre also, das Niveau künstlich höher zu halten. Aber abgesehen davon, dass die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist, würde das auch bedeuten, dass viele gute Projekte nicht realisiert werden könnten.
Für den Filmemacher bietet die digitale Entwicklung also neben vielen Nachteilen auch Möglichkeiten, die man vorher nicht hatte.
Und selbst wenn jetzt jeder denkt, er kann Filme mit seinem Handy machen und Kino mit dem Aldi-Beamer: was solls. Das ist eben die wahre Demokratie und deshalb hat auch Francis Ford Coppola schon Anfang der Neunziger die Entwicklung von Hi8 Videokameras begrüßt, weil dadurch mehr Menschen der Zugang zum Medium ermöglicht wird.
Letzten Endes bietet das mehr Chancen für die Talentierteren, die sich aber nicht unbedingt dem Hollywoodschema anpassen wollen.
Und außerdem eine neue Chance für den Filmkritiker, der aus der Masse die Perlen herausfischen muss. An deren Fähigkeiten habe ich in der Vergangenheit schon oft gezweifelt. Vielleicht kriegen die ja doch noch die Kurve.
Noch was: auch in der Vergangenheit, lange vor dem digitalen Zeitalter, gab es viele wirklich herausragende Filme, die auf ganz unkonventionelle Weise entstanden sind und gerade deshalb oft herausragten, durch ihren eigenen Look, der sich von dem Standardlook unterscheidet. Zum Beispiel Filme, die auf 16mm entstanden sind und dann auf 35mm hochkopiert wurden. Die besaßen bestimmt nicht die Schärfe und Brillianz eines auf 35 mm gedrehten Films, aber dafür etwas anderes.
Dieses Beispiel und davon kann ich noch jede Menge bringen zeigt, dass es nicht immer auf die Technik ankommt, sondern auf den Inhalt. Und wenn der stimmt, ist eigentlich alles andere egal. Dann funktionieren auch so Filme wie "Blair Witch" oder die Dogma-Filme.
Und trotzdem ist es schön, auch so Filme wie "2001" in 70mm zu sehen. Aber das Besondere am Kino war schon immer diese Vielfalt und das es schon immer Stimmungen und Tendenzen unserer Zeit widerspiegelt. Und am spannendsten fand ich schon immer das Kino, wenn es mutige Filme präsentiert, die ganz eigene Wegen gehen.
Aber wer die Vielfalt im Kino schätzt, muss auch die Vielfalt an Meinungen schätzen. Deshalb denke ich, dass es gut ist, wenn es viele unterschiedliche Meinungen gibt und hoffe, dass sie genauso wie unterschiedliche Techniken und Richtungen nebeneinander existieren können. Das einzig Wahre gibt es heute nicht mehr.