Um mal wieder auf den Ausgangspunkt des Threads zurückzukommen und einige falsche Behauptungen über 3-D-Vorführungen, das Filmmuseum München und mich zu korrigieren:
Es ist sicher richtig, dass ich als Leiter des Filmmuseums München neuen Techniken aufgeschlossener gegenüberstehe als viele andere (Filmarchivare wie Filmvorführerforumsmitglieder). Aber mich interessiert vor allem, wo ich mit digitalen Mitteln Probleme angehen kann, die mit herkömmlichen Techniken nicht befriedigend zu lösen sind. Seit 30 Jahren bin ich mit 3-D-Filmkopien durch die Gegend gereist, habe alle verfügbaren Optiken für einstreifige Systeme eingesetzt, zweistreifige Vorführkopien restauriert und wieder vorführbar gemacht und komplizierte Vorführtechniken nachgebaut, um kurzlebige Systeme wie das der Lumière-Filme, des ersten russischen Stereokinos oder das von Zeiss-Ikon wiederzubeleben. Irgendwie liefen fast alle Vorstellungen, und das 3-D funktionierte letztendlich, weil das Publikum es sehen wollte - auch wenn man manchmal die Augen doch arg verrenken und einigen guten Willen mitbringen musste. Oft genug war es Veranstaltungen, bei denen die Defekte für Kenner unübersehbar waren. Und letztendlich haben solche Erfahrungen jede 3-D-Welle nach kurzer Euphorie schnell wieder abflauen lassen.
In einer Vorstellung verschiedene Filme und Filmausschnitte zu präsentieren, die in ein Dutzend verschiedener 3-D Systeme produziert wurden, ist unmöglich: Man bräuchte eine Batterie verschiedener, heute nicht mehr existierender Projektoren, mehrere heute nicht mehr zugängliche Objektive und mehrere Leinwände. Solche Maximalforderungen lassen sich leicht in einem Blog einfordern, gehen aber an der Realität vorbei. (Und damit meine ich nicht mangelnde finanzielle Ressourcen, sondern schlicht und einfach die technischen Möglichkeiten!)
Keine der Aufführungen von ROBINSON KRUZO hat nach der Erstaufführung im Kino "Wostok", wo der Film 1947-1949 exklusiv lief, jemals noch einmal die Aufführungssituation authentisch wiedergegeben. Der 35mm-Film mit der Lichttonspur in der Bildmitte und einer Perforation, in der nur jedes vierte der herkömmlichen Perforationslöcher existierte und über einen Spiegel projiziert wurde, wurde später in ein herkömmliches 35mm-Format mit normaler Perforation und seitlicher Lichttonspur umkopiert. Dabei waren die Bilder immer seitenverkehrt und befanden sich in einem zu weiten Abstand zueinander, als dass sich dies mit Optiken für einstreifige 3-D-Filme ausgleichen ließ. Es mag ja sein, dass irgendein analoges Kopierwerk eine bessere Kopierung vom Originalmaterial (sofern es noch existiert) schaffen könnte, nur wird dies nicht gemacht werden und es liegen nur die beschriebenen Umkopierungen vor. Hier bietet die digitale Technik erstmals die Möglichkeit, die durch die Umkopierungen entstandenen Defekte auszugleichen und der ursprünglichen 3-D-Projektion zumindest näherzukommen, als es analog bisher möglich war.
Mich nervt es, wenn in der Diskussion immer wieder falsche Behauptungen aufgestellt werden. Ich war bei den 3-D-Expo-Festivals in Los Angeles, habe alle Filme gesehen. Und habe auch all die Defekte miterlebt, die hier in den Beiträgen (bewusst oder aus Unwissenheit?) unterschlagen werden: Die Probleme bei den Kopien mit unterschiedlicher Bildqualität bei den beiden Streifen (GOG: linke Seite gefadetes Magenta-Bild, rechte Seite gute Farben / CREATURE FROM THE BLACK LAGOON: eine Seite viel heller als die andere / DIAL M FOR MURDER: eine Seite Dup, andere Seite mindestens eine Generation besser - das traf auf viele der neu gezogenen Kopien zu / GUN FURY: wie fast alle Filme der ersten 3-D-Expo-Veranstaltung wurde dieser Film in Academic Ratio statt Breitwand aufgeführt / KISS ME KATE: das ursprüngliche Full-Frame-Format wurde bei der Umkopierung auf Lichttonkopien nicht verkleinert, weshalb das Bild in der Bildhöhe und an der linken Seite beschnitten war / das Desaster bei der Vorführung der russischen 3-D-Filme: 70mm-Filme, deren katastrophalen 35mm-StereoVision-Umkopierungen völlig versagten, weil man die StereoVision-Objektive nicht beherrschte / der hilflose Umgang mit europäischen 3-D-Filmversuchen: von Lumière- und Zeiss-Ikon-Filmen liefen umgeschnittene und falsch datierte Fragmente). Übrigens befand sich sehr wohl auch ganz offiziell ein digitaler 3-D-Film im Programm (der ziemlich überflüssige NIGHT OF THE LIVING DEAD 3D), und über die anderen digitaler Transfers, an denen Jeff Joseph arbeitete (wie z.B. THE STEWARDESSES) breitet man besser den Mantel des Schweigens aus. Beim angeblich "digitalfreien" Osloer 3-D-Festival habe ich übrigens schon im Januar 2008 meinen Vortrag gehalten, mit zwei Beams und zwei BetaDigital-Player, die die Veranstalter nur unzulänglich synchronisiert bekamen - hier wäre ein DCP eindeutig besser gewesen.
Digitale Bearbeitungen und digitale Formate können uns in manchen Fällen durchaus helfen, der ursprünglichen Filmvorführungssituation näher zu kommen, als es die herkömmlichen Mittel schaffen. Es nutzt mir nichts, ein neues Paar 35mm-Kopien von einem 3-D-Film zu bekommen, wenn die beiden Kopien in der Lichtbestimmung nicht zumindest angeglichen und im Bildstand stabil sind oder wenn eindeutige Kopierfehler vorliegen - hier von einem authentischen Filmerlebnis "wie in den 1950er Jahren" zu sprechen, ist absurd (auch wenn Jeff Joseph in seiner Werbung für die 3-D-Film-Expos natürlich so getan hat, als würde alles optimal präsentiert).
Im Filmmuseum werden wir in den nächsten Monaten von einigen Klassikern sowohl 35mm-Filmkopien als auch DCPs erhalten, und im direkten Vergleich entscheiden, welche Version vorgeführt wird. Allen Zweiflern sei versichert, dass im Filmmuseum Museum, insbesondere bei unseren Vorführern, das originale Filmformat immer bevorzugt wird. Und anders als viele Institutionen scheuen wir keine Kosten, um eine gute Filmkopie herbeizuschaffen - so denn eine irgendwo auf der Welt existiert und für uns greifbar ist. Aber wenn eine digitale Kopie deutlich weniger Defekte aufweist als die Filmkopie (und dem Film keine neuen Artefakte hinzufügt), dann werden wir immer das zeigen, was den Film besser repräsentiert.
Ich werde mich hier nicht auf lange fruchtlosen Diskussionen einlassen, da diesem Statement wenig zuzufügen ist. Und, lieber cinerama, ich bitte darum, mir nicht solchen Unsinn zu unterstellen, dass ich eine "mir nicht geläufige Lichttonschrift" als "auf Film nicht mehr kopierbar oder umkopierbar" klassifiziert hätte. Da haben Sie entweder eine Aussage von mir entweder mutwillig verdreht oder einfach nicht verstanden, um was es ging. Nicht alle Filmarchivare und Filmmuseumsleiter mögen technisch so kompetent sein wie Sie, aber sie sind deshalb noch lange keine Idioten, die "jedwede Filmverwertung zu liquidieren" versuchen.