Hallöchen in die Runde!
Als Filmemacherin und als Filmwissenschaftlerin (und: Schweizer Kinogängerin!), möchte ich mich in dieser Diskussion klar der vielleicht dogmatischen aber im Sinne der Filmkunst hehren Haltung des Kino achteinhalb anschließen.
Jeder Film hat ja bekanntlich eine (im besten Falle) in sich kohärente Dramaturgie. Das hat auch jede Szene. Das heißt, wenn man einen Film schreibt und später schneidet, hat jede Szene eine ihr innewohnende Dramaturgie und einen Bogen, den sie schlägt – aus der vorherigen Szene kommend und zur nächsten führend. Sei es auf einer rein narrativen Ebene oder auf einer emotionalen oder beides. Das Gefüge der Szenen wiederum ergibt dann den großen Bogen des Films – egal wie klassisch oder modern oder elliptisch die Dramaturgie sein mag.
Wenn man nun als Vorführende Person oder als Sender beschließt, mitten in einer Szene einen Bruch zu setzen, handelt man damit meiner Meinung nach respektlos gegen das Gesamtwerk eines Films. Das tut man auf eine Weise ohnehin, wenn man einen Film unterbricht, auch wenn die Pause zwischen zwei Szenen gesetzt wird. Aber diese Pause hatte immerhin ursprünglich einen Grund, als noch Rollen ausgetauscht werden mussten. Darauf wurde ja anno dazumal sogar die Dramaturgie eines Films angepasst, bereits in der Drehbuchphase. Im heutigen post-analogen Kino ist eine solche Pause vielleicht immer noch eher zu verzeihen, weil sie zumindest die dramaturgischen Akte eines Films respektiert. Eine Szene in sich zu unterbrechen, ist ein despektierlicher Eingriff in ein Kunstwerk, punkt. Egal, ob sich nun der Vorführer die Deutungsfreiheit eines spannenden Moments herausnimmt oder ob ein Sender einen Cliffhanger generiert, um sein Überleben auf dem kapitalistischen Markt zu gewährleisten. Anders gesagt: es würde mir ja keiner sagen, ich darf nur die eine Hälfte der Mona Lisa anschauen, nach der Werbung kommt die linke Gesichtsseite.
Als Kinogängerin mit Schweizer Kinokonditionierung verstehe ich natürlich, dass eine Pause (zwischen zwei Akten wohlgemerkt!) ein gewisse sinnliche Genüsslichkeit mit sich bringen kann: man ist erfüllt vom Film, man denkt nach über das, was gleich kommen wird, tauscht sich vielleicht darüber aus und kann herrlich spekulieren – noch dazu ist die Vorfreude auf ein Pauseneis größer als auf ein Langweileis, das schon während der Werbung aufgegessen ist. Und: man kann Pinkeln gehen!
Dennoch: im Grunde ist jede Unterbrechung eines filmischen Werks frevelhaft, weil sie das unterbricht, an dem wir Filmschaffenden so so so lange gearbeitet haben: das Gefühl, das sich in unserem Inneren während des Schauens entwickelt. Dieses Gefühl herstellen kann ein Film nur über die Zeit. Nicht von ungefähr wird das Medium Film als die einzige Kunstform bezeichnet. die Zeit als ein Ausdrucksmittel braucht.
Mein Professor der Filmwissenschaft fand übrigens auch das Eisessen im Kino frevelhaft. Popcorn war noch schlimmer. Überhaupt jeder Faktor, der das Gesamterlebnis vom Film ablenken konnte, ob Unterbrechung oder jegliche Art von Konsum, sei es Essen oder Werbung. Wenn ein Film aus irgend einem Grund unterbrochen wurde, mussten wir nochmal neu anfangen zu schauen. Als ich selber anfing, Filme zu machen, habe ich mit großer Dankbarkeit an ihn zurückgedacht.
Eis essen werde ich trotzdem weiterhin, im Schneideraum sowohl als im Kinosaal.