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50 Jahre Oberhausener Manifest


Sam

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Liegt zwar jetzt schon wieder drei Tage zurück, aber trotzdem: Am 28. Februar jährte sich der 50. Jahrestag des berühmten "Oberhausener Manifests", das zu einer entscheidenden Zäsur im (west-)deutschen Filmschaffen wurde. Ulrich Gregor hat sich aus diesem Anlass nochmal erinnert:

 

http://www.tagesspiegel.de/kultur/film-die-freiheit-die-sie-meinten/6256438.html

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Wenn man den Pressespiegel auswertet und zumal den Gregor-Text im Tagesspiegel kritisch gegenbürstet, dann sollte man sich vergegenwärtigen, dass an der hier weiter betriebenen Kanonisierung (d.h., der Bestätigung des bereits Bekannten und Festgestellten) auch wesentlich der Umstand beteiligt ist, dass wichtige Protagonisten wie Kluge, Reitz, Gregor und Patalas noch (Gott sei dank) unter uns sind , allesamt um die oder über 80 Lebensjahre alt -- und heute rückblickend auf 50 Jahre westdt. Kultur-Nachkriegsgeschichte noch Zeugnis ablegen können.

 

Was durch diese Kanonisierung allerdings unter den Tisch geworfen wird, ist die Tatsache, dass das westdeutsche Kino der 1950er- und 1960er-Jahre nicht so exklusiv "Heimatfilm"&"Schnulzen"-monopolistisch war, wie es die Beteiligten, die damals den Markt an Förderungen für Autorenfilme aufrollten, es gerne gehabt hätten und es heute noch so gerne hätten, wenn man deren derzeitigen Verlautbarungen folgt. — Gerade die Programme des Berliner Zeughaus-Kinos belegen in den letzten Jahren, wie vielschichtig, ästhetisch anspruchsvoll und auch kritisch die westdeutsche Spielfilmproduktion in diesem Zeitabschnitt AUCH gewesen war.

 

Mithin waren die "Obermünchhausener" vielmehr Teil der gesamten damaligen Auseinandersetzung der Söhne mit ihren Vätern, die dann in den Studentenprotesten der 60er-Jahre ja eine Lebensstilrevolution herbeiführte, die in 70ern kulturell sozialisiert und distribuiert wurde, dann auch auf dem Gebiet der Spielfilmproduktion und ihrer Widerspiegelung im west-dt. Feuilleton sichtbar und für eine kurze Zeit auch fruchtbar wurde.

 

Interessant insgesamt dann doch das heutige Fassbinder-Bashing z.B. durch Berling (in seinem Biographie-Roman), aber auch letztens durch Kluge (beim 80.) und - man staunte - Ballhaus (ZDF-Nachtstudio). Wieviel insgesamt vom "Jungen Deutschen Film" auch in Wiederausgrabungen noch für wertvoll gehalten wird, ist nicht viel. Gregors Bemerkung zum Wert einer Wiederausgrabung und Neuvorstellung der künstlerischen Kurzfilme zeitlich um das Oberhausener Manifest spricht da nicht dagegen.

 

 

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Beachtliche Verdienste fürwahr - aber darf man neue Erkenntnisse der Gründer in ihren Rückblicken erwarten? Meines Erachtens: nein. Es ist nun Aufgabe einer jüngeren und frischeren Filmwissenschaft, die Relationen besser herauszuarbeiten. Sicher um den Preis einer geringeren persönlichen und emotionalen Anteilnahme an avantgardistischen Kämpfen jener Epoche, die nur die Gründer und Zeitzeugen für sich reklamieren können - dafür aber mit einer hoheren Genauigkeit in der Deskription und Exegese künstlerischer und ästhetischer Qualitäten auch von Werken jenseits der Avantgarde.

 

Es wurde schon das Repertoire des "Zeughaus-Kinos" benannt, das angenehm auch ablenkt vom revolutionären Voluntarismus und von der Distinktions-Manie der "Freunde der Kinemathek", die oft um sich selbst kreist und um den Preis der Verwahrlosung ästhetischer, handwerklicher und visueller Prägnanz jeden noch so rebellischen Ansatz um seiner selbst legitimierte. Das war vom Prinzip her gut gemeint und es wird auch heute noch gebraucht.

Sieht man aber den jammervollen Umgang mit dem Repertoire im 'Kino arsenal' und vornehmlich die unfähige Konzeption von 1999, aus Steuergeldern brauchbare Kinos und Vorführeinrichtungen zu schaffen, bleibt ein schaler Nachgeschmack. Obwohl die Nachkriegs-Filmavantgarde durchaus fruchtbar war, tauchte sie doch früh ins Ferseh-Ghetto der Nachprogramm ab und vermochte somit nicht, die deutsche Lichtspiellandschaft so nachhaltig umzukrempeln, dass deren Betreiber noch heute einstigen Idealen treu geblieben gewären - resp. dass ein Repertoire des jungen deutschen Autorenfilms zum Kanon heutiger Programmkinos gehören könnte.

 

Eben so wie die politischen Ansätze der 68er in der heutigen Bundesrepublik gänzlich kaltgestellt sind oder von der jüngeren Generation belächelt werden, so sehr wirken auch die Filmmanifeste dieser Zeit nicht selten prätentiös und zeugen von formaler Unreife. Weder Film noch politische Bewegung dieser Zeit konnte offenbar zur Massenkunst werden wie die Avantgarde in Russland - und somit die Massen ergreifen. Vielleicht ist dies auch ein Beleg für den wie hermetisch wirkenden Formalismus und die mangelnde Verankerung der Autoren mit der heftig umcircten Arbeiterklasse.

 

Betrachtet man die Gregor-Rede nicht nur von ihrem moralischen und kämpferischem Duktus - und somit aus der Perspektive wohlwollender Solidarität - so funktioniert sie auf formaler Ebene wie jede eiskalt geschliffene Marketing-Rhetorik: keinerlei Selbstzweifel, keine Selbstkritik, keine Revisionen von Irrtümern - es bleibt nur der kanonisierte Positivismus.

Früher bewundert, lässt sich doch heute daraus kein Bewußtwerdungsprozess mehr ableiten. Er kritisiert mantra-artig die Adenauer-Ära - aber mit der Neumann-Ära hat er sich arrangiert? Leben wir heute in menschlicheren und filmisch fortgeschrittenen Umständen als in der Adenauer-Epoche? Oder in einer freieren Kinolandschaft? Ich hätte Zweifel.

 

Schade. Meineserachtens glückte der "Brückenschlag" in den 1960er Jahren nicht auf der gewollten klassenübergreifenden und "transformierenden" Ebene, und die Intentionen erreichten oft nur die Intelligenzia, die später zu den kleinbürgerlichen Kunsthymnikern übersiedelten, die im 19. Jhd. ihren Ausgang fanden.

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Bereits das Gesprächsbuch "Film Curatorship" hatte vor einigen Jahren gezeigt, dass man sich in Wien, im Österreichischen Filmmuseum, den Kinodingen, die sich derzeit – um nicht zu sagen: heuer – sehr in Veränderung befinden, grundsätzlich widmen möchte. In einem am 28.02.2012 in der Wiener Zeitung veröffentlichen Gespräch von Matthias Greuling mit Alexander Horwath und Alejandro Bachmann – zufällig auf den Tag genau dem 50. Jahrestag des Oberhausener Manifests, als man im deutschen Feuilleton mit der eigenen Filmkultur diesbezüglich beschäftigt war – gehen die drei Wiener Herren dem Wechsel von analog zu digital im Kino für die kulturelle Erhaltung als medienspezifischer Erfahrung in Museen und Kinematheken als großer Herausforderung erneut auf den Grund.

 

Dieser Text ist hier online erhältlich:

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/film/440069_Digital-ist-ein-anderes-Medium.html

 

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