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Bolex 155 Macrozoom


Film-Mechaniker

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Habe die Kamera, Nummer D 88490, auseinandergenommen.

 

Aus jeder Pore dringt Bell & Howell. Selbst die Bedienungsanleitung sieht aus wie eine aus Chicago ― Gestaltung, Typografie, Farben. Auf Seite 20 ist ein Bild zum Zubehör „Multitrix“ mit Klarscheiben, auf denen steht „Journey to Italy“. Das würden die Welschen nie schreiben.

 

Eine Idee ist gut, alle Teile sind in einen soliden Aluminiumklotz montiert. Doch der fest montierte Handgriff macht alles zunichte. Die Kamera wackelt auf jedem Stativ, der Hebel ist einfach zu lang. Wenn man die Befestigungsplatte fürs Multitrix abschraubt, liegt die vordere Unterseite des Körpers frei. Mit dieser Fläche müßte man arbeiten können.

 

Der Öffnungswinkel im Verschluß beträgt 138 Grad, eine seltsame Größe, die bei 18 Bildern pro Sekunde zu 1/47 Sekunde Belichtungszeit führt. Der Filmantrieb besteht aus einem Rätschengreifer. Die Fensterplatte ist immerhin hart eloxiertes Aluminium. Gut gemacht ist die stufenlose Übertragung der Filmempfindlichkeit.

 

Als Objektiv hat man wohl eine amerikanische Konstruktion verbaut. Da nirgends ein Name zu finden ist, handelt es sich um keine Lizenz, sondern importiertes Glas. Der Reflexsucher funktioniert leider nicht mit Mattscheibe, sondern bietet Luftbild. Fantastische Einrichtung der Daumenfocus, das ist für diesen kompakten Apparat etwas Gerissenes. Der Brennweitenhebel dagegen ist zu schwer zu verstellen.

 

Man darf sich wegen der Seriennummer nichts vormachen. Diese Kamera haben Frauen zusammengeschraubt. Alle Geräte sind gleich. Die Verwendung von Nummern auf den Baugruppen oder gar Einzelteilen bei Berufskameras hängt mit der Einpassung zusammen, die da auch durchgeführt wird. Das ist etwas anderes. Eine teure Kamera kann auch regelmäßig geöffnet und gepflegt werden. Nicht so diese 155, das liefe auf Totaldemontage hinaus, und die ist nicht vorgesehen: Die Befestigungsschrauben der Optik und des Unterteils, in dem Motor und Drehspulinstrument sitzen, sind plombiert, regelrecht mit Bleizapfen verschlossen. Alles in allem ein Wegwerfding.

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Hallo,

 

ich verstehe Deinen Text nicht so ganz: Die Bolex 155 Macrozoom (Baujahre 1967-1970) wird überall als eine der letzten Kameras aufgeführt, die noch komplett von Bolex in der Schweiz entwickelt und gebaut wurde. Und auch danach (ab 1970) wurden die Kameras erstmal von Eumig, also in Österreich, gebaut. Erst später (ca. 1974) gab es dann auch noch "Bolex made in Japan" (=Chinon), "Bolex made in USA" (=B&H) und "Bolex made in Italy" (=Silma??).

Laut Seriennummer wurde Deine Kamera 1968 gebaut, also deutlich vor dem Zusammenschluß mit Eumig und der Herstellung außerhalb der Schweiz:

http://www.bolexcollector.com/cameras/155.html

 

Gruß,

Jörg

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Lieber Jörg

 

Die Übermacht US-amerikanischer Industriezweige ist älter und tiefer greifend, als du dir denkst. Ich bin ja der Meinung, daß die Arriflex eine Lizenzvergabe von Bell & Howell an Arnold & Richter war, und wenn es nicht so ist, dann habe ich noch den Verdacht, daß die Bolex-Paillard-H-Kamera aus Rochester stammt. Sollte das auch nicht zutreffen, kann man sich doch immerhin bei Marcel Beaulieu umsehen, der ab 1950-51 so sehr plötzlich zu einer Konstruktion kam, daß es einen schaudert.

 

Wirklich große Würfe gibt es nur wenige im Kamerabau. Einer davon ist der Cinématographe Moisson-Lumière-Carpentier, wobei den Lumière die Urheberschaft zukommt, Moisson das Verdienst, den Prototypen gebaut zu haben, und Carpentier die Einführung der came, des so genannten Gleichdicks. Aus dem Cinématographe entstand der Pathé industriel (1905). 1908 kam der Parvo von Debrie heraus, eine gerissene Konstruktion. Vergessen wir nicht, daß so etwas wie verstellbarer Umlaufverschluß schon 1892 bei Boulys Cynématographe vorhanden war. Dann ist da Déménys Schlägerantrieb, 1893.

 

Um zu Bell & Howell zurückzukehren: Die Entwicklung ihrer Kameras verläuft entlang einer klar beschreibbaren Linie, nämlich von der Pionierholzkamera (1909) und der ersten Ganzmetallkamera über eine Federwerkhandkamera für Split und dasselbe für 16-mm-Film zur Entsprechung in 35, die Eyemo. Zunächst hatten Filmo und Eyemo eine einzelne Objektivfassung. 1929 kam der Dreierrevolver dazu, sozusagen die Minimierung des Viererrevolvers von der Standard auf Normalbrennweite, Weitwinkel und Tele. Es ist eigentlich ein kleiner Schritt, die Elemente im Raum zu verschieben und den Verschluß schräg zu stellen. Es hatte damals Tradition, daß man bei der Gestaltung des Gehäuses Holzmodelle fertigte und mit diesen experimentierte. Form Follows Function war mit der einsetzenden Moderne ab 1925 die Ansage. Das Gehäuse der Eyemo umschließt die Innereien in kaum zu übertreffender Weise. Die H-Kamera hat erheblich mehr Leerräume.

 

Die Arriflex vereint in sich Ideen aus Frankreich und den USA. Von Labrély kommt das schräge Gehäusedach mit Magazin, von Bell & Howell der Greiferantrieb und das um 90 Grad umgelegte Getriebe samt Elektromotor. So ist der Weg frei geworden für einen kompakten Körper hinter dem Revolver.

 

Noch nicht nachgewiesen ist die Entwicklung auf die Bell & Howell Standard zu. Sie ist einfach plötzlich da, und das ist das größte Verdachtsmoment. Howell und Bell lernen sich 1905 kennen. 1907 gründen sie eine Aktiengesellschaft. 1908 ist der Rotary Framer da, eine Höhenstellmechanik für einen amerikanischen Projektor. Im selben Jahr ist eine Perforiermaschine da. Im nächsten Jahr wie erwähnt eine sehr präzise funktionierende Kamera. 1911 kommen eine Kopiermaschine heraus und die Standard. Diese Kamera erreicht eine solche technische Höhe, daß es mehr als erstaunt, was die junge Unternehmung alles leistet.

 

Ich glaube, daß hinter Bell & Howell jemand steht, der bedeutend mehr Ahnung vom Metallbau hat als diese zwei Amerikaner, auch viele Jahre Erfahrung. Es hört sich verwegen an, aber ich vermute Le Prince als graue Eminenz, die aus dem Hintergrund über Dritte sein Lebenswerk einspeist. Er hat schon in Paris, wenige Monate vor seinem Verschwinden, Kamera und Projektor zu patentieren versucht. Nach seinem Verschwinden tauchen zwei Apparate auf, die auf bestechende Art an die Leeds-Kamera von 1888 erinnern, eben Boulys Cynématographe und die Kamera von Darras. Das Ganze ist natürlich am Rand zur Spitzfindigkeit, aber ich kann nicht davon lassen.

 

So ist es mit der übrigen und späteren Apparateindustrie gewesen. Eugen Bauer war ein berühmter Projektorenbauer, doch von den Kamerakonstruktionen wußte man bei der Firma so wenig, daß die Geräte halt eingekauft werden mußten. Man braucht bloß eine Bauer 88 auseinanderzuschrauben, um zu erleben, wie ausgedüftelt das alles ist. Bei Paillard-Bolex hat man schlicht nicht daran gedacht, daß die Schmalfilmkamera zu einem Billigartikel werden könnte, mit dem man möglichst schnell viel Geld hereinholen will. Das Super-8-Geschäft jedenfalls ist das größte Geschäft der Firma Eastman-Kodak überhaupt geworden, ein Milliardending. Bolex ist nie um den USA-Markt herum gekommen, von da kamen auch verschiedene Dinge auf die Schweizer zu, wie der Fader von Pellegrini, Kalifornien, das Unterwassergehäuse von Rebikoff, das Stereo-Projekt, das mit Kern zusammen realisiert wurde, das Konzept der S-Projektoren, des M-Projektors, noch vieles andere, was im Hintergrund bleibt. Von 1958 an lief die Kybernetik auf vollen Touren. Dann der Höhepunkt des kalten Krieges, als sich in Berlin sowjetische und US-Panzer auf Sichtweite gegenüber standen, und das Fernsehen. Auch in der Elektrotechnik und Elektronik sind die USA führend.

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Die Übermacht US-amerikanischer Industriezweige ist älter und tiefer greifend, als du dir denkst.

 

Witzige Theorie. Aber gibt's dafür auch Beweise und nicht nur

Ich bin ja der Meinung, daß...dann habe ich noch den Verdacht, daß...Noch nicht nachgewiesen...Ich glaube, daß...
? :wink: :D

 

Hier mal eine vernünftige Erklärung, warum einige US-Kameras einigen schweizerischen Kameras ähneln: Der in der Ukraine geborene Entwickler Jacques Bogopolsky arbeitete erst in der Schweiz, dann in den USA und dann auch wieder für europäische Firmen:

http://www.filmmuseum-hamburg.de/548.html

http://jacquesbolseyproject.com/cameras.htm

http://www.alpareflex.com/History.htm

http://www.movie-camera.it/bolseyi.html

Etc. pp.

 

Jörg

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Hier mal eine vernünftige Erklärung, warum einige US-Kameras einigen schweizerischen Kameras ähneln: Der in der Ukraine geborene Entwickler Jacques Bogopolsky arbeitete erst in der Schweiz, dann in den USA und dann auch wieder für europäische Firmen

Jörg, Bogopolsky in Ehren, aber die H-Kamera hat er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausgedacht, wofür ich auch Beweis habe. Die Frage ging nach den Bolex 150-155-160, was 35 Jahre nach Bolseys Kontakt mit Paillard ist. Diese Kameras waren für Doppel-8-Film geplant gewesen und wurden kurzfristig für die Super-8-Kassette umgestaltet. Die Idee war nämlich, mit einem Kameratwist das Spulenumlegen zu vermeiden, so wie es Sekonic 1963 schon machte. Ende 1962 lancierte man bei Eastman-Kodak den Duex-Lader für Doppel-8-Spulen. Die entsprechende Kamera ist kaum bekannt. Bell & Howell hatte schon in den 1930er Jahren die Blechkassette entworfen, die Kodak übernahm, aber im kalten Krieg ließ Chicago sich nicht mehr auf so etwas ein. Am Konzept des Super-8-Systems ist Bell & Howell wesentlich beteiligt. Prinzipiell war die Teilnahme an der Entwicklung eines neuen Comsumer Movie System offen über die AMPAS, wo alle Unterlagen ab 1962 auflagen. Mitgemacht hat bekanntlich auch Fuji, wo man aber diskret das wirklich Bessere entwarf, die Single-8-Kassette.

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Die Idee war nämlich, mit einem Kameratwist das Spulenumlegen zu vermeiden...

 

Du meinst, das sei der Grund, warum die Filmkammer bei diesen Bolex-Modellen "oben" statt "hinten" ist? Hmmm... wäre 'ne Erklärung...

 

Mitgemacht hat bekanntlich auch Fuji, wo man aber diskret das wirklich Bessere entwarf, die Single-8-Kassette.

 

Das klingt bei anderen Quellen "leicht" anders, z.B. hier:

http://www.filmmuseum-hamburg.de/594.html

(Ich meine den Absatz, der mit "1959 wird bei..." anfängt.)

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