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Filmkunst-Studio im Schlüter


Sam

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Vor dreizehn Jahren, am 30. Juni 1996, schloss das FILMKUNST-STUDIO IM SCHLÜTER seine Pforten. Im alten West-Berlin war es neben der FILMBÜHNE AM STEINPLATZ und dem CAPITOL DAHLEM eines der drei führenden Programmkinos – und unter diesen dreien das letzte überbliebene, liebevoll geführt von Bruno und Irmchen Dunst, mitten im Charlottenburger Kiez (und nicht weit entfernt von der TU) gelegen. Und: Eines der ältesten noch existierenden Kinos war es auch, 1912 eröffnet (Architekt: Gregor Heyer), ein langes schlauchförmiges Ladenkino mit ursprünglich 369 Plätzen. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, am 8. Juni 1945 wiedereröffnet mit 305 Plätzen.

 

Die Dunst’s übernahmen das Kino 1962. In den sechziger und siebziger Jahren spielte das Schlüter mit täglichem Programmwechsel in jeweils zwei Vorstellungen, später in drei Vorstellungen (darunter eine Nachtvorstellung) drei verschiedene Filme am Tag.

 

Bruno Dunst – im näheren Umkreis: »Onkel Bruno« – war nicht nur Filmtheater-Betreiber, sondern (wie man so leichthin sagt) auch ein Berliner ‘Original‘ mit Rausche-Bart und langem schlohweißen, hinten zusammengebundenen Haar; zudem Darsteller in Nebenrollen (vor der Kamera stand er erstmals im Alter von zwölf Jahren). Zu seinen bekanntesten Auftritten gehört die MÄNNERPENSION, wo man ihn genau so sah, wie er im täglichen Leben vor seinem Kino stand. Heute hat er verdientermaßen einen Eintrag in der IMDb. Helma Sanders-Brahms hat 1985 mit ALTE LIEBE einen Dokumentarfilm über das Ehepaar Dunst gedreht.

 

Das Schlüter-Kino scheiterte nicht an ausbleibendem Publikum oder veränderten Sehgewohnheiten, sondern an den Mietforderungen eines neuen Hausbesitzers, der – obwohl er sich als Filmfreund gab – die Miete von 2800 auf 10000 Mark im Monat erhöhen wollte. Das Schlüter musste trotz breiter, auch politischer Unterstützung schließen, die Räume standen anschließend jahrelang leer. Heute werden sie von einem Möbelgeschäft genutzt; in einer Ecke hängt, unter Glas, ein altes Wochenplakat der "Schlüter-Lichtspiele" aus den Sechzigern, mit denen die Kinos seinerzeit ihr Wochenprogramm an den Litfaß-Säulen veröffentlichten.

 

Bruno Dunst hat, wie sein Frau später erzählte, die Schließung des Schlüter-Kinos nie verwinden können. Er starb drei Jahre später am 4. Juli 1999. Irmgard Dunst sah man später oft noch im Kant-Café an der Ecke Schlüterstraße – fast mit Blick auf das ehemalige Kino.

 

Hätte damals nie gedacht, dass ich das Schlüter-Kino jemals so vermissen würde. Heute ist Berlin, was Repertoire betrifft, doch eine ziemliche Wüstenei – von kleinen hoffnungsvollen Neuanfängen abgesehen.

 

schlterkino001.jpg

 

schlterkino003.jpg

 

Das untere Foto stammt aus der vorletzten (Abend-)Vorstellung mit der MÄNNERPENSION; ganz rechts, aber nur schwer zu erkennen, Bruno Dunst. Zur letzten, der Nacht-Vorstellung, lief vor komplett ausverkauftem Haus CINEMA PARADISO.

 

Mehr:

 

http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0613/0020/index.html

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0627/0105/index.html

http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,2024272

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/1127/none/0027/index.html

http://www.imdb.com/name/nm0243034/bio

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Schönen Dank für den Beitrag - ich konnte Dunst auch noch kennenlernen, aber erst spät.

Etliche Woody Allen-, Marx-Brothers- und die "schrillen" Kubrick-Filme dort zum erstenmale gesehen!

Nach dem Schließungstag war ich bei der Räumungsaktion aktiv: u.a. Geräte und Filmplakate wurden aus dem Saal entfernt, bevor er entkernt werden sollte.

 

Deinen Text finde ich gut auf den Punkt gebracht. Auch wollen wir in Kürze die "Story of Berlin Cinemas" aufarbeiten: haben erst gestern dazu getagt. Alternativer Arbeitstitel: "Sag' mir wo die Kinos sind..."

 

Wer mitmachen möchte: info[at]kinomuseum-berlin.de

(Und hier die provisorische Website www.kinomuseum-berlin.de , der in Kürze noch ein Blogg folgen soll.)

 

 

Hoffe, wir sehen uns mal bald!

 

Schlueter__Dunst._2.7.1996__small.jpg

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  • 2 Jahre später...

Das (öffentliche) Debakel um die kürzliche Schließung der Kurbel hat als kleinen Nebeneffekt immerhin auch eins gezeigt: dass im Bewusstsein der eingessenen Charlottenburger das Schlüter-Kino noch präsent ist. (Vergangenen Sommer war es übrigens fünfzehn Jahre her, dass es geschlossen wurde. Leider habe auch ich den Jahrestag übersehen.)

 

Das Foto unten zeigt ein Aushangplakat, wie es in den fünfziger und sechziger Jahren für Berliner Kinos üblich war: Die Litfaß-Säulen waren seinerzeit damit vollgeklebt. Dieses hier stammt aus dem Jahre 1955; das war vor den Zeiten von Bruno Dunst (der das Kino 1962 übernahm). Damals gehörte das Kino noch einer Frau Minna Fouquet, die als Geschäftsführer einen Günter Weyher eingesetzt hatte. (Ja, zu diesen Zeiten nährte ein Kino noch Besitzer, Geschäftsführer und Personal.) Ausweislich der Kino-Adressbücher jener Zeit spielte man mit Ernon IV und Ernemann II, beides Maschinen aus den dreißiger Jahren. Interessant immerhin, dass "Die Ratten" schon in Breitwand angekündigt wurden; denn die eigentliche Umstellung auf CS wurde erst mit dem Kino-Adressbuch 1957 vermeldet, erfolgte also vermutlich im Jahre 1956. Mit der Umstellung auf CS wurde auch die Ernemann II durch eine Ernemann VIII ersetzt. Beide Maschinen blieben bis zur Schließung installiert.

 

Spannenderweise finden sich im Internet immer noch Zeitungstexte aus den letzten Jahren des Schlüter. Über zwei bin ich erst unlängst wieder gestolpert:

http://www.berliner-...90,9144758.html

http://www.berliner-...90,8858986.html

 

Herzlichen Dank für die Überlassung des Plakats!

post-79359-0-54533900-1326552717_thumb.jpg

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Danke Sam für den informativen Beitrag! Leider nur noch von Außen gesehen.

 

"Die Ratten" von Robert Siodmak (UA 28.6.1955) war aber wahrscheinlich gar kein CinemaScope-Film. Nach einigen Quellen sogar Normalformat (Filmportal, Filmdienst, CCC-Katalog Filmmuseum). Im März 1955 lief der erste deutsch-französische Scope-Film OASE an, damals war es aber üblich ausdrücklich mit dem neuen Format zu werben. Keine der Unterlagen im Filmportal.de (Plakate, Prädikatkarte, Verleihbroschüre) weist auf Scope hin.

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  • 2 Monate später...

Ich stolpere gerade in meinem privaten Archiv über den Mitschnitt eines 45-minütigen TV-Features über Bruno Dunst und die Schließung des Schlüter-Kinos am 30. Juni 1996.

Man sieht die letzten Wochen und Tage des Betriebs, Bruno und Irmgard erzählen Erinnerungen über den Beginn ihrer Kinolaufbahn, die letzte(n) Vorstellung(en) mit allerletzten Rettungsversuchen durch prominente Schauspieler -- und schließlich den Kahlschlag samt Entkernung des Kinos. Filmvorführer, die bei Bruno Dunst im Schlüter gelernt haben, wurden von ihm als "Studenten" bezeichnet.

Die Dokumentation wurde 1996 für den damaligen SDR produziert; Sendedatum war der 05.04.1997 in Südwest-3.

 

Wenn dieses TV-Feature jemand interessieren sollte, dann bitte PM an mich.

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Wenn Ihr die Anfragen statt via PM an mich persönlich hier nun öffentlich übers Forum laufen lässt, lautet meine genauso offizielle Antwort:

 

Es handelt sich bei dieser Sendung um urheberrechtlich geschütztes Material.

 

Die im Nachspann für die Anforderung von Zuschauermitschnitten ("VHS-Cassette für 49,- DM") genannte Quelle lautet "SDR Holdung" (im Stand von 1997), die jetzt wohl vertreten wird von:

 

SWR Media Services GmbH

Lizenzen und Verlag

Frau RA Margarete Koch

70190 Stuttgart

margarete.koch@swr.de

 

Mit dem Sendedatum 05.04.1997 in SW3-TV müsste man bei einer Anfrage an Frau Koch an eine offizielle Kopie zur privaten Nutzung (nunmehr auf DVD) kommen können.

 

Ansonsten bitte ich um eine individuelle und nicht-öffentliche Email-Nachricht oder über eine PM hier übers System.

 

Danke für's Verständnis.

 

+++

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