Hallo Filmfreunde,
Ich sehe es so, dass es unter den renommierten 16mm Kameras solche gibt, die "amateurtauglich" sind und solche, die eher bloss für den (Voll) Profi interessant sind.
Die Begründung (meine Meinung...) geht so: Ein Amateur filmt mit Umkehrmaterial, muss also so einige Sachen bereits bei der Aufnahme "mitnehmen", so z.B. Auf- und Abblendungen, Überblendungen und solche Sachen. Daneben will er auch gerne mal Zeitlupen oder Einzelbildtricks für Titel machen. Da ist die Bolex echt amateurtauglich, wohingegen die Arri ST völlig unbrauchbar in denselben (Amateur...) Händen ist. Die Arri ist sehr gut, wenn man bloss filmt und hinterher alles im Kopierwerk machen kann, was der Profi tut, da brauchts dann auch keine vertellbare Sektorenblende, schon gar nicht einen automatischen Fader und auch keine Einzelbild- oder gar Langzeitauslösung.
Zusammengefasst: Der Amateur muss sein Kopierwerk schon in der Kamera mitführen, der Profi nicht. Umkehrmaterial ist total anders zu behandeln wie Negativ, eben, entweder bin ich Amateur oder ich bin Profi. Eine Arri in Amateurhänden ist völliger Blödsinn, die Kamera kann ausser geradeausfilmen ja überhaupt nichts. Die Bolex in Profihänden hingegen wäre auch völlig daneben, die hat Sachen, die der Profi nie braucht, ausser, man ist am Arsch der Welt, wo nichts mehr geht:
Ich weiss nicht, ob es eine Legende ist, oder ob es wahr ist: Da gabs mal eine Antarktisexpedition. Mit dabei war eine Arri ST und eine Bolex H16. Die Arri machte bald schlapp, weil die Akkus bei der extremen Kälte nicht mehr konnten, also aus und Schluss. Die Bolex lief noch, aber auch nicht mehr lange: Bei der soll in der extremen Kälte die Feder im Antrieb gebrochen sein. Also keine Kamera mehr...? Nicht ganz: Der Kameramann kuppelte einfach das kaputte Federwerk der Bolex aus, steckte die Rückspulkurbel in die 1:8 Welle und drehte seine Aufnahmen von Hand. Mag exotisch klingen, zeigt aber, dass eine Bolex letzendlich durch nichts zu ersetzen ist... (am Rande: Bei händischem Kurbelbetrieb ist der Fliehkraftgeschwindigkeitsregler in Betrieb, die Kamera läuft also schön gleichmässig, wenn man immer mit etwas mehr Kraft dreht, der Regler bremst dann von selbst. Kann jeder an seiner Bolex selber testen... ich habs getan... schon dreissig Jahren)
Die Legende hat zwar nichts mit der Differenzierung zwischen Amateur und Profi (Umkehr oder Negativ) zu tun, aber irgendwie zeigt sie doch sehr deutlich, dass die Bolex nicht zu unterschätzen ist. Die filmt immer noch, wenn andere längst kapituliert haben. Da kommt dann weder Webo noch Arri mit, Scoopic schon gar nicht (keine Wechseloptik), das sind alles irgendwie bereits "spezialisierte" Geräte, wohingegen die Bolex der ultimative Traktor für alles ist... (man merkt, ich bin Bolex Fan, klar doch... als Schweizer... *lach
Es gibt noch einige solcher Legenden, von einigen weiss ich definitiv, dass sie wahr sind, von anderen habe ich bloss gehört...
Bolex = extrem universell: Federwerk, Elektroantrieb, Timerbetrieb, Handbetrieb und all die Möglichkeiten, die es dem Amateur (oder eben auf Expeditionen...) ermöglichen, immer dabei zu sein. Äusserst umständliches Handling, eben typisch schweizerisch... siehe Militärmesser, zwar ein Alleskönner, aber nur für Leute mit guten Nerven und viel Geduld. (hatten die alten Schweizer noch reichlich...)
Arrri = extrem perfekt und robust, vorausgesetzt, man will nur einfach geradeaus filmen. Auf- Ab- und Überblendungen... Pause. Federwerk mangels leerer Akkus... Pause... nur Profitauglich, da ein Profi ja bekanntlich Stativträger. Kameraträger, Akkuträger und sonstiges Hilfspersonal dabei hat, das dem Amateur eben fehlt... siehe Aaton auf seiner Reise...)
Webo = manchmal etwas störrisches französiches Fein(st)werk mit gewissen Macken. Viele Möglichkeiten, manche aber nicht gar so durchdacht, geschweige denn griffig: z.B. Sektorenblende, völlig unbrauchbar für weiche Blenden, aber immerhin, vorhanden.
Scoopic= extrem Modern, sehr kompakt, aber nicht so ganz universell wie die Bolex. Ein paar Features à la 1014 XL-S und die Scoopic wäre der ultimative Traum für mich. Ich nenne mich Amateur. (nicht geeignet auf extremen Expeditionen...)
Meine ganz persönliche Meinung... ach ja, ich hatte schon alle der genannten Kameras ausgiebig in der Hand und habe meine Kenntnisse nicht bloss aus Prospekten...
Rudolf