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Der letzte Wiener Filmpalast schließt heute endgültig


Florian

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Liebe Leute,

 

nachdem wir kein spezifisch österreichisches Forum haben (ist ja auch nicht nötig), hier mein Abgesang auf eines meiner Lieblingskinos in Wien:

Das "EOS-KINO" in dritten Bezirk hat heute seinen allerletzten Spieltag, bereits morgen wird mit dem Abbau der Technik begonnen. Der ehemalige Beiname "Sascha-Palast" läßt schon ein wenig erahnen, worum es geht:

ein riesiges, zwei Stockwerke hohes Foyer, ein torteneckenförmiger Saal mit Balkon und großer Bildwand mit Vorhang, Kasch etc. Die Kabine in bester Tradition als Spatzennest außen angehängt, 603 Sitzplätze, Bühne mit Bildwand zum Wegfliegen, wunderbarem Monoton, der dank der Glanzleistung des Architekten aber mehr als raumfüllend war, und die letzten in Betrieb befindlichen "Friedl-Chaloupka"-Projektoren in Wien.

Die bewegte Geschichte des Kinos erklärt auch, warum ein Weiterbetrieb leider unmöglich erscheint bzw. ist:

Das "alte" (legendäre) Eos-Kino befand sich an einem anderen Standort und wurde 1945 ausgebombt. Der Betrieb übersiedelte zwangsweise in das heutige Lokal, einen ehemaligen, zu dieser Zeit säkularisierten Theatersaal des Herz-Jesu-Klosters.

Nach 1945 kam es zu einigen Versuchen von seiten des Klosters, den Kinobetrieb aus dem Haus zu bekommen, was aber nicht gelang. Dem jetzt in Pension gehenden Betreiber gelang schließlich eine Einigung in der Form, daß er den Betrieb bis zur Pensionierung weiterführt und das Lokal dann zurückgibt. Diese Tatsache war bis vor kurzem unbekannt und erklärt, warum es im EOS immer noch eine mit Gleichstrommotoren betriebene Lüftung und Holzsitze gibt - jede Investition war verlorenes Geld. So blieb allerdings auch ein wahrscheinlich europaweit einzigartiges Ensemble, ein echter Dreissigerjahre-Filmpalast, vollständig erhalten. Der Saal und das Foyer stehen auch unter Denkmalschutz, nicht aber die Möblierung, Technik etc.

Ich habe selbst mehrere Versuche unternommen, mit den Besitzern zu verhandeln, jedoch ohne Verständnis und Erfolg (die ab morgen fehlende Kinotechnik wäre ja das geringste Problem). Gleichzeitig ist die Situation in der Wiener Kinolandschaft nicht unbeschwert genug, um einen Einsaalkoloß, der für einen Vollbetrieb mindestens 5 Personen braucht, rationell zu betreiben. Somit ist aus heutiger Sicht das EOS Geschichte. Ich werde versuchen, noch ein paar Fotos zu machen, demnächst in der Galerie.

Interessant (und für die Wertigkeit des Kinos an sich in Wien bezeichnend) ist, daß das engültige Ende dieses Betriebs von der Öffentlichkeit unbemerkt und ohne Medienecho vonstatten geht.

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Hallo,

 

ist etwa hinter der Leinwand noch ein großer Exponentialhornlautsprecher? Wenn ja, sollte man den doch retten. Über ein paar Bilder würde ich mich sehr freuen.

 

Gruß FH99

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Dank Dir Florian für die tollen Bilder! :) :)

 

In diesem Kino (das diese Bezeichnung auch wirklich verdient) habe ich schon etliche schöne Stunden verbracht. Auch wenn man bei längeren Filmen wie SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD usw. gute Bandscheiben brauchte machte das Filmesehen in diesen Räumlichkeiten enormen (!) Spaß.

 

Wenn ich an die Atmosphäre und das Flair zurückdenke und es jetzt geschlossen wird, bekomme ich Herzstechen.

 

DAS IST bzw. DAS WAR KINO!

 

Eos, wir werden Dich vermissen. :( :(

 

mfG

Christian Mueller

 

P.S.: Von mir aus könnte man mal ein paar von den überflüssigen Fabrikshallen "auf der grünen Wiese" schließen, bevor man solch einzigartige Kulturgüter einfach entfernt. Dort macht aus meiner Sicht weder Filmschauen, noch Pop-Corn Essen, noch sonstwas Freude. Aber wenigstens bekommt man dort ""einen Parkplatz"" wie es immer wieder heißt. :roll: :evil:

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Hallo Florian!

 

Vielen Dank für den informativen Bericht und die tollen Fotos über das EOS-Kino.

 

Auch mir wird ganz flau ums Herz, wenn ich an die wunderbaren Samstag/Sonntag Nachmittagsvorstellungen mit Winnetour, Tarzan und Co in den 70iger Jahren zurückdenke.

 

Das EOS war eine Perle, die leider nicht gerettet werden konnte!

 

Heute Vormittag wurde bereits mit dem Abbau begonnen - die Leuchtreklame ist bereits entfernt worden. :-(

 

Ich kann mich noch gut an das CAPITOL, DIDO, ROCHUS, WIENZEILE, WELTSPIEGEL, TABOR und all die anderen herrlichen Kinos erinnern.

 

Gruß aus Wien,

Walther

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Bereits am Tag nach der Schließung (also gestern) hab ich selbst schwersten Herzens mitgeholfen, die FC-Maschinen aus der Kabine zu schaffen - in einen holländischen VW-Bus!!!! Gottseidank weiß ich, daß die Apparate in wirklich gute Hände kommen, außerdem habe ich dafür gesorgt, daß die Elektrik sauber (ohne Schnitte) abgebaut wurde, da ich die Hoffnung auf irgend ein zukünftiges Revival, wenn sich die Wogen geglättet haben und der Haubesitzer erkennt, daß das Kino eigentlich nicht anderweitig verwertbar ist (Denkmalschutz) nicht aufgebe. (wow, was für ein schöner Schachtelsatz).

Das in der Nachbarschaft situierte Theater ist jedenfalls schon geil auf die Holzsessel...

SEUFZ

Bilder vom Abbau - demnächst!

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Wie Du selbst schon schreibst, besagt das Denkmalgesetz eine Bestandsempfehlung für Teile der Außenhülle, damit erkennbar bleibt, daß hier mal ein Kino war. Defacto aber - sofern nicht ausdrücklich eine Inventaraufistung für die Innereien erarbeitet wurde - kann jederzeit "entkernt" werden.

Wenn keine Bürgerinitiative mit hunderten an Aktiven dahinter steht und der Magistrat nicht mitzieht, gibt es kein Druckmittel auf de Eigentümer oder das "zahnlose" Denkmalamt.

 

So ist es in old good Germany.

 

Zuletzt möchte ich noch Zweifel an der Formlierung erheben, welche Art von Kinos für lebensfähig erklärt werden und welche nicht. Wir alle haben uns da eine Sprache angewöhnt, die scheinbar realitätsnah, aber lebensfeindlich geworden ist. "Lebensunfähig" ist etwas doch erst geworden, nachdem es, obwohl intakt, gewaltsam platt gemacht wurde. Durch Supermarktkinos.

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"Lebensunfähig" ist etwas doch erst geworden, nachdem es, obwohl intakt, gewaltsam platt gemacht wurde. Durch Supermarktkinos.

 

Hmh, es gibt aber auch andere Gründe, Reparaturstau, Renovierungsstau, abnudelns des Repertoire-Programmes durch die gewachsene Zahl der TV-Sender, somit mangelnde Nachfrage bei den Programmkinos.

 

Unverschämte Pachtforderungen in 1A Lagen. :evil:

 

Heutzutage sollte auch das kleinste Kino mindestens SR spielen können und helle und scharfe Bilder auf der Bildwand darbieten.

 

Was ich manchmal in der Provinz (Urlaub) sehen muß, muß ich hier sicher nicht darlegen.

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Ist schon klar, aber bezogen auf das Thema "Filmpalast" (also nicht den Typus "Provinzkino") dachte ich an menschliches Versagen von Altbetreibern, die im Alten verharren, denke auch an den Sogeffekt des Supermarktkinos, mitunter "Mietwucher" und künstlich hervorgerufende Krisen usw.

Wären diese Negativ-Faktoren auf ein Normalmaß zurückgeschraubt, wäre denkbar, daß ein Filmtheater überlebensfähig ist.

 

Die "Realität" der Branche muß man dabei nicht als letzten Maßstab nehmen, man könnte ebenso gut zuder Erkenntnis gelangen: diese ist nicht lebenswürdig und dauerhaft lebensfähig.

 

Ich argumentiere immer gerne mit der politischen Frage: "Was ist das gute Leben?"

 

Das "reale" Leben schuf - verkürzt gesagt - nach dem Aufkommen der Privat-TV-Kanäle eine Lebenshaltung, die sich darin in scheinbarer konsumptiver Freiheitlichkeit entäußert, zwischen dutzenden an Sendern hin- und herzappen zu dürfen: schnell, haptisch, stichwortartig. Ausgedehnte Spielszenen, Schaustücke und Debatten sind in der veränderten Kultur immer schwieriger "verkäuflich", da Unterhaltung und Information dem Stimulus des Adrenalyspiegels angekoppelt werden soll und andere Empfänglichkeiten zunehmends verkümmern - obwohl Menschen doch immer intelligenter und gebildeter werden.

 

Nun haben wir das Zappen seit geraumer Zeit auch auf die Kinokultur transitiert. Zunehmend seltener steht hierbei die durchdachte Auswahl eines Filmthemas und einer für würdig oder interessant befundenen Spielstätte im Vordergrund (ja, Mitte der siebziger Jahre, als Teenager, und noch vor den "Schachtelkinos" habe ich fast tägl. gerne 1-2 Std. und länger mit dem Studieren kleingedruckter Zeitungsanzeigen verbracht, um mich interessierende Genrereißer oder Kunstkinofilme aus einem wahren Dschungel an großstädtisch verstreuten Bezirkskinos herauszupicken, was zu hochinteressanten Entdeckerreisen in unbekannte Regionen und Bezirke führte), heute saugt ein Monopolplatz mit gleichförmig aussehenden THX-Sälen das Medieninteresse an, eine Event-Lokalität, zu der man "bequem" hinfährt, irgendwie immer noch "passend" in eine "up-to date"-Vorstellung hineinrutscht, für deren Filmtitel man sich oft Sekundenbruchteile vor dem Karteneerlös am Schalter entscheidet, um hernach von lauter Discomusic und Popcorn verfolgt zu werden.

Da mögen die Tonwiedergaben sauberer geworden sein als in den alten Bruchbuden, die Leinwände halbwegs helle Bilder hergeben ... aber das ganze Ambiente, die Art der Filmrezeption, Darbietung, Visualität und Vermarktung empfinde ich als superpenetrant und vulgär.

 

Es gibt also Zuschauer, die so eben nicht leben wollen und auch noch Briefe und Gedichte anstelle von SMS-Nachrichten schreiben können und wollen. Und es gibt leider Altbetreiber und Vermieter, die ihre wertvollen Alt-Immobilien durch Dummheit zerstörten, während sich die "moderne" geschäftliche und auch fachliche "Schlauheit" unbestritten in den neuen Gewerbegebieten angesammelt hat, in denen wir inzwischen alle schon mehr oder weniger arbeiten mußten oder müssen, will man seine Brötchen verdienen. :cry:

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@cinerama: die Betreiber des Eos führten einen Traditionsbetrieb, der leider mit Ablaufdatum behaftet war. Dies war in der Wiener Szene nicht bekannt, denn wir haben uns alle gewundert, warum dieses Kino mit einem Mainstream-Nachspielprogramm und dieser Ausstattung eigentlich überlebt hat. Es gab mehrmals Versuche, hier Änderungen herbeizuführen (Kinderkino, ein bißchen mehr Arthouse etc.), an denen auch ich beteiligt war - nur halt aus obigem Grund ohne Erfolg. Ich würde, wenn ich weiß, ich komme so auch über die Runden (das Eos war bis zuletzt in den schwarzen Zahlen), auch nichts investieren bzw. ändern, angesichts dieser trüben Zukunftsaussichten für meinen Betrieb an sich.

Familie Huber ist also überhaupt kein Vorwurf zu machen, im Gegenteil!

 

Der Denkmalschutz betrifft in diesem Fall sehr wohl auch die Einrichtung und Innenausstattung - und da nicht nur die Wiener Kinospinner, sondern auch einige freie Theaterleute dieses Objekt mit Argusaugen beobachten, wird es für die Hausbesitzer nicht so einfach werden...

 

Fotos von Wiener Kinos sind ausgesprochen rar, und m.W. gibt es in den Wiener Archiven eine 60-jährige Sperre (außerdem nur Akten und Pläne, keine Photographien). Vielleicht kann ich aber mit Familie Huber, die ja auch schon das alte Eos am Rennweg betrieben hat, ein bißchen plaudern.

 

Derzeit zählen wir aber schon die Tage bis zum Ableben eines anderen ehemaligen Palastes, für Insider: das einzige Wiener Kino mit "I" am Anfang, wo die von Dir genannten Gründe (Altbesitzer, Mietwucher etc.) 200%ig zutreffen. Angeblich erfolgt in ein paar Tagen die Zwangsräumung - wir werden sehen.

Wien scheint momentan kein gutes Pflaster zu sein....

 

Fotos vom Eos-Abbau sind eingestellt!

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Der Denkmalschutz betrifft in diesem Fall sehr wohl auch die Einrichtung und Innenausstattung - und da nicht nur die Wiener Kinospinner, sondern auch einige freie Theaterleute dieses Objekt mit Argusaugen beobachten, wird es für die Hausbesitzer nicht so einfach werden...

Hat denn die Hausverwaltung die Entfernung der Neon-Buchstaben angeordnet?

(Diese sind vielleicht ein gewichtiges Attribut für den Denkmalschutz und sollten ggf. wieder anmontiert werden, wenn keine zwingende Verfügung des Hausbesitzers vorliegt.)

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Die Neonreklame des Kinos, wie auch die Kinotechnik an sich, sind nicht geschützt, sondern der Theatersaal und das Foyer, m.W. auch die zum Theater gehörende Technik (Schnürboden, Züge, Licht).

 

Das Imperial-Kino (seit 1911) hat soeben geschlossen, am Mittwoch erfolgt die Delogierung. Hier waren aber nicht die äußeren Umstände schuld am Niedergang, sondern rein die Betriebsblindheit des Besitzers. Mehrere Rettungsversuche des Filmarchivs sind seinetwegen gescheitert, nach Auszug des Archivs in das Metro-Kino siechte das Imperial mit dubioser bis krimineller Programmierung dahin, jetzt ist eben Schluß.

Jeder, der das Imperial kennt, weiß, daß dieser Saal und dieser Platz einiges Potential hätte, leider wird die Innenstadtlage mit der damit verbundenen Mieterhöhung jedem Kinoprojekt von Anfang an den Wind aus den Segeln nehmen. Mehr werde ich zu diesem unsäglichen Kapitel nicht schreiben, denn ich bin realer Nachbar im Cine-Center...

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Nein, für aktuelle Fotos war die Zeit zu kurz, ich hab noch ein paar aufnahmen aus der Filmarchivzeit, in der ich in diesem Kino federführend tätig war - muß ich aber erst scannen. Meine emotionale Bindung zu diesem Betrieb, den ich schon als Kind erlebt habe und als Techniker bis ins letzte Dreckwinkerl kennen- und lieben lernte, verbat mir auch heute die Mitnahme der Kamera...

Was mich maßlos ärgert, ist eben die Tatsache, daß der Tod dieses Betriebs mutwillig und sehenden Auges herbeigeführt wurde.

Schluß, Aus, Basta.

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