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Wie man einen Schatz hebt ... und unzutreffende Informationen verbreitet


Sam

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Passiert ja auch nicht alle Tage: Der TAGESSPIEGEL berichtet in seiner gestrigen Print-Ausgabe (in einem Beitrag, der leider nicht online gestellt wurde), dass derzeit 20.000 Filmdosen aus einem Keller in Kreuzberg gerettet würden ("Völlig von der Rolle", TAGESSPIEGEL vom 6. Juni 2014, S. 9). Es handelt sich um die Hinterlassenschaften der ehemaligen Film & Video Kopiergesellschaft mbH, die bis zum Konkurs 2008 in der Schlesischen Straße ansässig war. Und seitdem laufen auch die Bemühungen - insbesondere der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm -, die verbliebenen Filmbestände zu retten. Jetzt werden sie nach Wilhelmshagen in das Bundesfilmarchiv gebracht - anderthalb Jahre sind für die Sichtung veranschlagt. Was wird wohl in den Dosen sein, für die sich die ehemaligen Produzenten/Rechteinhaber nicht mehr interessieren? Vorwiegend vermutlich Negative und Zwischenfilmmaterialien - sowie Schnittreste; Projektionskopien ja wohl eher nicht. Das Ganze aus dem Zeitraum 1983 bis 2008, wobei wohl auch noch Material des Vorgängers im Keller lagert. Man darf gespannt sein, was das Bundesfilmarchiv so alles findet.

 

Doch halt: was lesen wir da? Zitat:

 

In den anderthalb Jahren, die für die Sichtung veranschlagt sind, "( ... ) entscheiden die Archivare, welche Filme als filmgeschichtlich relevant gelten. Diese finden einen dauerhaften Platz im Archiv und werden digitalisiert. Im Grunde sei nur noch die Nutzung digitaler Medien möglich, sagt Karl Griep, der Leiter des Bundesfilmarchivs. Rohfilm-Hersteller wie Kodak und Agfa produzierten schließlich gar nicht mehr."

 

Man darf sich über den letzten Satz wundern. Dass Agfa seit langer, langer Zeit nur noch ein eingeschränktes Produkt-Portfolio hat, ist ja allgemein bekannt. Aber Kodak? Was produzieren die nicht mehr? Der aktuelle Produktkatalog (und die fortgeschriebenen Preislisten) im Netz (Stand April/Juni 2014) - eine Schimäre? Alles drin - Farbnegativ, Dup-Positiv, Dup-Negativ, Print-Positiv, Hochkontrast-Titelfilm; sw-Separation-Film; Tonnegativ. Da fehlt wirklich nichts in der Palette - auch wenn manches (den geringen Quantitäten geschuldet) nur "finish to order" (auf Bestellung) erhältlich ist, insbesondere die 65/70mm-Formate.

 

Kann mich mal jemand aufklären, was ich missverstanden habe?

 

http://motion.kodak.com/motion/Products/Product_Information/index.htm

http://motion.kodak.com/motion/uploadedFiles/QA_MotionPictureCatalog_April1_2014.pdf

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Antwort: Bundesarchiv. Was erwartest Du von Nitrofilm-Wegwerfern mit eingeschränktem Kompetenzanspruch?

 

Aber hui: Film & Video Print, lang ist's her. Da kamen oft lustige Ergebnisse an, hin und wieder aber auch vernünftige Qualität. Irgendwie mußte die niedrigen Preise ja zustandekommen. War "Film & Video Print Nord" eigentlich nur eine Annahmestelle für Berlin oder fand da auch eine Form der Bearbeitung statt?

Bearbeitet von Jeff Smart (Änderungen anzeigen)
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Bei der jüngsten Ausschreibung der Kopierwerksstelle wurden die qualifizierten oder engagierten Bewerber wie ich hörte abgecancelt. Den Zuschlag erhielt eine (nicht weit von der Pensionierung stehende) ehemalige Mitarbeiterin der Geyer-Werke mit beschränktem Fachwissen und (so etwas spricht sich in der Szene schnell herum) auffallend geringem Fleiss und Engagement, wie der Kollege von Arri-Sch. meinte.

Frage:

Möchte man damit das erst vor wenigen Jahren neuerrichtete Filmkopierwerk sozusagen "auf Abruf" schnell stilllegen können?

Die Anstellung fähiger oder jüngerer Kräfte hätte dies womöglich verhindert - dem eine Behörde dem Anschein nach nun vorbeugen muss?

 

Einen Satz wie "Kodak liefert ja schon bald kein Rohfilmmaterial mehr" habe ich erstmals vor sechs Jahren auf einem Restaurierungssymposium der Deutschen Kinemathek von Martin Koerber, Restaurations-/Archivleiter des Hauses gehört. "Wir müssen schnellstmöglich digitalisieren .- wobei wir heute bitte nicht über 1,4K oder 2K in diesem Raum duskutieren wollen und werden - denn wenn nicht sofort digitalisiert wird, gibt es bald gar keine Filme mehr". [fast wortwörtlich wiedergegeben].

Gern verbreitet wurde auch aus den Berliner Häusern wider besseres Wissen, dass in Deutschland angeblich kaum noch 35mm-Vorführgeräte stünden, fast alle Kinos hätten sie ausrangiert.

 

In dieses trübe Lied stimmt nun ausgerechnet das Bundesarchiv mit ein. Vielleicht, weil es auf öffentlichen Veranstaltungen stets wie ein altbackener Bauernhof von der Kinemathek regelrecht vorgeführt wird? Die Ironie des Herrn Koerber macht da jeden konservatorisch sinnvollen Ansatz zunichte, wo selbst eine Frau Dillmann, Leiterin des DFM/DIF in Frankfurt Main nach Koerbers postmodernistischen Moralansprachen wie eine Nostalgikerin wirkte, die noch immer mit alten Kochrezepten arbeitete.

Diese Spitzen aus dem Hause der Kinemathek verfehlten dann auch ihre Wirkung nicht, sodass man sich im Digitalisierungswettlauf fast gegenseitig überbietet. Mit noch so unsinnigen Argumenten und verdrehten Sachumschreibungen.

 

Dennoch erhoffe ich mir eher im Bundesarchiv eine Chance, noch zu retten was zu retten ist: Hier ist eben die Bedeutung eines Archiv offensiver herauszustellen, anstatt primär auf die Vermarktung der Archivalien abzustellen, wie es die Kinemathek betreibt und dabei letzlich ihren Museumscharakter verlieren könnte. Das Bundesarchiv muss populärer werden und im Diskurs wieder eine Vorreiterrolle spielen, die sie seit den Amtszeiten des Restaurierungsleiters Harald Brandes verspielt hatte ("wir restaurieren in 1K - 35mm-Kopien ziehen ist ja abwegig, weil eine Kopie nach drei Durchläufen kaputt ist").

 

Hinsichtlich der Nitrovernichtung gibt es allerdings auch Auflagen des Gesetzgebers, denen sich das Bundesarchiv als Bundesbehörde zu beugen hatte.

 

Die erste große Katastrophe mit Nitratfilm ereignete sich während einer Filmvorführung anlässlich der Weltausstellung 1897 in Paris. Das Material ging während der Projektion in Flammen auf. In dem anschließenden Flammeninferno starben einhundertvierzig Personen, darunter die Herzogin von AlenÇon, eine Schwester der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Kinovorführungen haftete seitdem die Aura eines gefährlichen Abenteuers an. Trotz immer effektiver werdender Sicherheitsvorkehrungen sollten Kinobrände und Brandkatastrophen in Filmarchiven die Geschichte von Fotografie und Film bis in unsere heutige Zeit begleiten. Hier verweise ich besonders auf die Vernichtung des Reichsfilmarchivs 1945 in einem Salzstock bei Braunschweig oder auf die Brandkatastrophe 1988 in den Filmmagazinen des Bundesarchivs auf der Festung Ehrenbreitstein. In beiden Fällen war eine Selbstentzündung von Nitrozellulose-Filmmaterial die Ursache. Und dies, obwohl das Material in beiden Fällen in Kenntnis seiner Brisanz unter allen nur erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen eingelagert worden war.

 

zit. aus: http://www.klaus-kra..._top_04-09.html

 

Bei Film- und Videoprint hatte ich auch mal an den B&Hs gearbeitet, war eine Krauterbude des M.-Wolff-("Moasik"/"Contrastfilm")-Rivalen Herrn Wachholz. Sie hatten einen genialen technischen Leiter, Herrn Koss, der das SMPTE-Journal fast auswendig zitieren konnte: er wurde aber immer nerdhafter und verstarb wohl vor ein paar Jahren kaum noch ansprechbar, wenn diese traurige Anekdote stimmt.

Bearbeitet von cinerama (Änderungen anzeigen)
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Die Computer-Technik ist mächtig, sehr anziehend, verführerisch, bei vielen Anwendungen auch unbestreitbar vorteilhaft. Banken können täglich alle Konten bilanzieren, mit vorbereiteten Programmen die verrücktesten Statistiken erstellen, beim Supermarkt sind Einkauf, Lagerhaltung, Preis- und Aktionsverwaltung und Kasse eins geworden. Ich finde, überall, wo es um simple Werte geht, ist der Rechner angebracht.

 

Filme jedoch seit den Anfängen bis dahin, wo sie noch für die Leinwand produziert wurden, kann man nicht mit Digitalem aufführen noch restaurieren. Zum Phänomen Film gehört die Kopiermaschine dazu, und zwar nicht als notwendiges Übel, sondern als Mittelpunkt seines Erhalts. Von gefährdeten Filmen sollen die bestmöglichen Duplikate gezogen werden, die gefahrlos lagern können und jeweils für frische Aufführungspositive zeugen. Das so genannte Digitalisieren von Filmen enthebt alles in die Belanglosigkeit. Entmaterialisierte Filme sind keine Filme mehr, das Publikum wird keine fotomechanische Reproduktion mehr sehen, sondern stets aufs Schachbrett starren. Wenn in Museen digitale Abbilder von Gemälden ausgestellt werden, dann ist es eh vorbei mit der Kultur. Bis dahin stelle ich mich neben die Kopieranlage und biete mein ganzes Können an, um einem Negativ (oder was sonst vorliegt) gerecht zu werden.

 

Eine IKEAisierung ist im Gange, ist mir wohl bewußt: Holz ist schon für viele Leute Preßspanplatte. Sie ertragen es nicht zu wissen, daß Massivholz sich bewegt. Das Bewußtsein von Endlichkeit verliert gegen den binär-numerischen Unendlichkeits- oder Erhältlichkeitswahn.

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Ich verstehe nicht, warum in den meisten anderen Laendern Nitrokopien archiviert werden (z.B. USA, UK oder Australien, wo ich wohne) und als unersetzbares Material und Kulturgut geachtet werden, aber in Deutschland muessen sie zerstoert werden. Nitrokopien sind von erstaunlicher Qualitaet, und wurden oft von den Originalnegativen gezogen, bieten also, zusammen mit Nitro-Negativen das bestmoegliche Ausgangsmaterial fuer Restaurationen. Und muessen deswegen auch erhalten bleiben. Natuerlich muss man vorsichtig sein und geeignete Lagerraeume zur Verfuegung haben. Unter Umstaenden ist Nitrofilm sogar laengerlebig als Azetatkopien. Ein Problem ist, dass in Deutschland Nitrofilme wohl unter dem Sprengstoffgesetz stehen, was in anderen Laendern nicht der Fall ist. FIAF hat ein sehr interessantes Buch ueber den Nitrofilm veroeffentlicht und befuerwortet sicherlich nicht die Vernichtung.

 

Ob Nitrofilm sich wirklich selbst entzuenden kann, ist so weit ich weiss, immer noch umstritten. Sicher nicht bei normalen Raumtemperaturen. Aber bei Nitrofilm der zerfaellt, veringert sich die Entzuendungstemperatur und das kann gefaehrlich werden, deswegen muessen diese Filme auch regelmaessig auf Zerfall kontrolliert werden. An dem erwaehnten Brand in der Festung Ehrenbreitstein war allerdings eine defekte Klimaanlage schuld, die den Bunkerraum aufheizte und nicht kuehlte. Kein Wunder also.

 

Nur um Fragen vorzubeugen: ich selbst fuehre kein Nitrat vor, kenne aber Sammler, die regelmaessig originale Kopien aus den 1930er und 40er Jahren zeigen. Die meisten davon pensionierte Filmvorfuehrer, die noch mit Nitrofilmen "aufgewachsen" sind. Ich kenne auch Sammler, die einen Nitratbrand im Vorfuehrraum hatten --- aber nicht weil sich der Film irgendwie von selbst entzuendete, sondern durch eigenes Verschulden.

 

Ansonsten stimme ich Euch zu. Film muss auf Film restauriert, kopiert und vorgefuehrt werden. Wenn digitalisiert wird, z.B. waehrend einer Restaurierung, dann in der hoechstmoeglichsten Aufloesung: 1.4K oder 2K ist laecherlich.

 

Jürgen.

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Wahrscheinlich gehen demnächst auch die Pinakotheken dazu über, ihre Bilder nur noch digital zu archivieren. Ist doch viel zu teuer einen echten Rembrandt aufzubewahren. Das Bild geht dann an FA Kamphoff zum abwaschen der Farben. Anschließend wird die Leinwand an Aldi für die Sommerkollektion verkauft. Perfektes Recycling.

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An dem erwaehnten Brand in der Festung Ehrenbreitstein war allerdings eine defekte Klimaanlage schuld, die den Bunkerraum aufheizte und nicht kuehlte. Kein Wunder also.

 

Danke für die umgehende Richtigstellung. Der zitierte Klaus Kramer ("Selbstentzündung von Nitrozellulose-Filmmaterial") gehört leider auch zu denen, die anhaltend unzutreffende Informationen über Nitro-Material verbreiten. Und dass der Satz mit den "alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen" bezogen auf das Jahr 1988 noch nicht zutraf, ergibt sich aus der zitierten Selbstdarstellung des Bundesarchivs.

 

Hinsichtlich des Brandes im Reichsfilmarchiv 1945 berichtete die ZEIT in der Ausgabe 40/1990 unter der Überschrift "Dürer für Deutschland" Folgendes über die Vorgänge im Salzstock Grasleben:

 

"Was war in Grasleben zwischen dem 12. April, dem Tag der Besetzung, und dem 26. Juni 1945, als die Briten die Sperre aufhoben, da unten passiert? Cay Friemuth hat penibel die Daten festgehalten: Am 14. April stöbern CIC Agenten das Reichsfilmarchiv auf, nehmen alle Inventarlisten mit und verhaften fünf Personen. ( ... ) Nach dem Geheimdienst kommt ein Sonderkommando und schleppt das Reichsfilmarchiv weg (was gäben unsere Cineasten heute dafür!); Teile davon liegen noch immer in der Kongreßbibliothek zu Washington (mit welchem Recht?).

( ... )

Im Juni, als schon die Briten die Saline bewachen, bricht unter Tage ein Feuer aus. Angeblich war beim Aufräumen eine Lampe auf einige Filme gefallen. Da aber Filmrollen damals schon in Metallbüchsen lagerten, dürfte auch dies ein Zweckgerücht gewesen sein."

 

Was immer die Absicht dieses Zweckgerüchts gewesen sein mag (ich werde mich nicht an Spekulationen beteiligen, die es im Netz reichlich gibt): Die angebliche Selbstentzündung müssen wir wohl auch hier als bewusst gestreute Fehlinformation ansehen ...

 

http://www.zeit.de/1...schland/seite-4

 

 

Hinsichtlich der Nitrovernichtung gibt es allerdings auch Auflagen des Gesetzgebers, denen sich das Bundesarchiv als Bundesbehörde zu beugen hatte.

 

Den Satz verstehe ich nicht so richtig. Der Gesetzgeber hat jedenfalls dem Bundesfilmarchiv nicht aufgegeben, Nitrokopien nach erfolgter Sicherung zu vernichten. Und in der Tat ist dies nach meiner Kenntnis ein deutscher Sonderweg: Alle anderen Filmarchive in Europa präservieren ihre Nitrokopien unter angemessenen Lagerbedingungen bei niedrigen Temperaturen. Und dafür bedarf es nicht so furchtbar viel. Temperaturen unter 21° C sind als sicher anzusehen, für die Langzeitaufbewahrung empfiehlt Kodak in Übereinstimmung mit der FIAF Temperaturen unter 10°C (an anderer Stelle - in der Publikation H 182, S. 3 - auch: 2° C). Regelmäßige Inspektion, Durchlüftung, Beschränkung der Maximalkapazitäten und Sprinkleranlagen gehören allerdings auch dazu. Alles in Hoppegarten vorhanden.

 

http://www.motion.ko...age_nitrate.htm

http://motion.kodak....Use/nitrate.htm

http://motion.kodak....02572_H-182.pdf

Bearbeitet von Sam (Änderungen anzeigen)
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Womöglich verharmloste ich die gängige Doktrin oder übertrieb die Brandgefahr.

Spekulierend, ob nicht doch staatliche Einschränkungen zu Kostenexplosionen führen (das BArch ist m.E. massiv unterfinanziert), könnte es auch das Trauma des "Wiederholungsfalls" sein, das zu restriktiveren Maßnahmen führte.

Von Grossveranstaltern in Gebäude ist mir bekannt, wenn Unfälle passierten, dass die Behördern danach kaum noch oder unter höchsten Auflagen Betriebsgenehmigungen erteilten.

 

Kurzstellungnahme auch im SPIEGEL:

 

[...] Das Problem: Von 1890 bis in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein wurden die meisten Filme auf Nitrocellulose gedreht, die wie auch TNT auf Stickstoffverbindungen beruht. Ihre Sprengkraft liegt weit über der von Schwarzpulver. Um zu brennen, braucht alter Film nicht einmal Sauerstoff; er entzündet sich schon durch Schläge oder zu hohe Temperaturen. "Wenn ein Film sich auflöst, fängt er zunächst an zu kleben, wird dann spröde und löst sich schließlich zu Staub auf", sagt Koppe. Alter, bröseliger Film kann sich spontan entzünden - doch wann es brenzlig wird, lässt sich kaum vorhersagen. Ein schwelender Film könnte dann benachbarte Filmrollen in Brand stecken - bis alles in die Luft fliegt. Die Außenwände des Filmlagers geben im Ernstfall leicht nach, um den Überdruck abzuführen. Vor dem Gebäude ist sicherheitshalber ein Erdwall aufgeschüttet. [...]

Aus: http://www.spiegel.d...d-83865283.html

 

Allerdings verfolgt das BArch auch die Aufgabe der Umkopierungen auf 35mm-Filmformat. Machten dies in letzter Zeit noch die Berliner Kinemathek, das Münchner Filmmuseum und andere Filmmuseen? Sie alle gehen den Weg des geringsten Widerstandes: Es wird nur noch gescannt oder abgetastet. Eine amoralische und geschichtsfälschende "Restaurierung", darf man hierzu anmerken.

 

Im BArch werden auch ganzjährig unter klimatisierten Bedingungen Filmmaterialien gelagert. Ob das Norsk Filminstitutt diesen Kostenaufwand betreibt (das seim Material offenbar in den Norden des Landes bei niedrigen Plusgraden auslagerte), weiß ich nicht.

Verzichtbar sind Nitrokopien dann, wenn von gut erhaltenen Nitro-Originalnegativen eine neuzeitliche Schwarzweißkopie und ein Lavendel gezogen werden könnten: die replizieren bei stimmiger Entwicklung den gleichen Look wie eine Nitrokopie.

 

Da es aber seit Jahren und Jahrzehnten kaum noch Nitrobrände gab, sollte man eine Duldungspflicht der Materialien anmahnen.

Sowohl richtig wie unrichtig (Nitrokopien als Originale zu bezeichnen, so lange ein intaktes Negativ vorliegt ist fehlleitend) erscheint mir dieses Fazit, in der Rechtsauslegung eventuell in Deinem Sinne:

 

Die Kassation der Nitro-Filmoriginale ist nicht nur nicht gesetzlich angeordnet, sie widerspricht auch im Grundsatz dem gesetzlich normierten Erhaltungsgrundsatz und ist nur bei Bestehen einer konkreten und gegenwärtigen Gefahr zulässig. Die latente Gefahr, die von alten Nitro-Filmen generell ausgeht, genügt nicht, um eine Kassation zu rechtfertigen. §1 BArchivG regelt die Sicherung und Nutzbarmachung des Archivgutes zum Zwecke der Forschung. Insoweit muss sich die Kassation auch an verfassungsrechtlichen Maßstäben und Wertungen ausrichten. Diesbezüglich bestehen Bedenken vor allem im Hinblick auf die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung. Deren Beschränkung ist vor dem Hintergrund einer bloß abstrakten Gefahr nicht hinnehmbar. Zudem dient die Filmkopie nicht als Ersatz des Originalfilmträgers, da diverse Daten und Informationen durch die Vernichtung unwiederbringlich verloren gehen. Die Kassation darf daher nicht die Regel, sondern allenfalls die Ausnahme sein.

 

Aus. http://www.bloomsbur...chapter-007.xml

Bearbeitet von cinerama (Änderungen anzeigen)
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[....]

 

Ansonsten stimme ich Euch zu. Film muss auf Film restauriert, kopiert und vorgefuehrt werden. Wenn digitalisiert wird, z.B. waehrend einer Restaurierung, dann in der hoechstmoeglichsten Aufloesung: 1.4K oder 2K ist laecherlich.

 

Jürgen.

 

Auch hypothetiische 100K und 50bit Farbtiefe und mehr usw. verfälschen den Wirkungszusammenhang einer Filmvorführung und Kinodarbietung, die nach Wunsch der Filmemacher und Produzenten eine spezifisch festgelegte Aufführungs- und Rezeptionsweise beinhaltet. Die Filmemacher nachträglich in ihrer Willenäusserung umzuinterpretieren, finde ich gewagt.

 

Der METROPOLIS auf einem UHDTV-Fernseher im Media-Markt (oder in einem mulitplexalen Schachtel- oder Museumskinos à la CinemaxX 8/ARSENAL) wirkt und fungiert wie ein Musikclip oder ein aufgeblasenes Youtube. Die in 8K gescannte 70mm-Produktion BEN HUR im Seitenverhältnis 2,75 :1 nur in eigens dafür hergerichteten Kinos und im magnetischen 6-Kanal-Original-Soundmix.

In einigen Kinos (ARSENAL) oder Home Cinemas hat man sich aber angewöhnt, beides auf den gleichen Schirm zu werfen. Und möglichst digital, weil das klassische Filmbandformat Angst macht.

Bearbeitet von cinerama (Änderungen anzeigen)
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cinerama schrieb:

Die in 8K gescannte 70mm-Produktion BEN HUR im Seitenverhältnis 2,75 :1 nur in eigens dafür hergerichteten Kinos und im magnetischen 6-Kanal-Original-Soundmix.

 

Oh, gibt es von dieser Fassung mittlerweile wieder zurückbelichtetes Negativ und neue 70mm Kopien? Also ist doch noch Magnetbespurung/bespielung möglich? Wenn du dazu mehr Informationen hättest, wäre ich sehr dankbar.

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Das genau leider nicht mehr - daher die ironische Breitseite. Also trotz (oder wegen) Digitalisierung kein Original, schon gar nicht bei 40% der Innenaufnahmen nach dem ach so tollen Scan (technisches Licht mit 1 Wert für Tag- wie Nachtaufnahmen), die nun a. absaufen und b. unter Grünschwund leiden.

Aber manche schreiben darüber "so gut sah der Film noch nie aus..:". Fragt sich, was manche zuvor gesehen haben? ;-)

Bearbeitet von cinerama (Änderungen anzeigen)
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Genau so sehe ich das auch.

Ob sich wohl schon mal jemand gewundert hat, warum Szenen die im Dunkeln spielen,

nur sehr schwer zu erkennen sind, da sie viel zu dunkel sind?

Das war im bei den Filmen im Kino nicht so und außerdem weisen einige digitalisierte

Kopien doch eine eher Grotten schlechte Qualität auf.

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Eigentlich wollte ich diesen Thread, der sich nun schon wieder meilenweit vom Thema entfernt hat, nicht weiter kommentieren. Aber das Zitat aus dem SPIEGEL kann man so einfach nicht stehenlassen:

 

Um zu brennen, braucht alter Film nicht einmal Sauerstoff; er entzündet sich schon durch Schläge ( ... ).

 

Ich weiß nicht, welchem Gerücht der SPIEGEL da aufgesessen ist. Dass Schießbaumwolle schlagempfindlich ist, ist unbestritten (deshalb auch ihre Verwendung in Schussfeuerwaffen); aber Nitrofilm: nie! Das gibt die gesamte Fachliteratur nicht her. Gerne und ohne Zögern lobe ich eine Prämie für den aus, der mir das Gegenteil zeigt. Hammer, Amboss und unbegrenzte Mengen von Red Bull sind zugesagt ... ;-)

 

Was in der zeitgenössischen Fachliteratur seinerzeit tatsächlich diskutiert wurde, war die Frage, ob Nitrofilm durch elektrostatische Entladung Feuer fangen kann; die Energie einer solchen Entladung, die optisch als Blitz wahrgenommen wird, ist jedoch viel zu gering, um das Filmmaterial nennenswert zu erwärmen. Dennoch ist einem britischen Vorführer mal eine Nitrokopie auf dem Umrolltisch in Flammen aufgegangen. Die anschließende Ursachenanalyse tendierte dazu, hierfür eine vorangehende Behandlung der Kopie mit Chemikalien verantwortlich zu machen, deren flüchtige Bestandteile noch nicht ausreichend verdampft waren.

 

http://archive.org/s...ge/n51/mode/2up

 

Worüber wir nicht diskutieren müssen, ist, dass die eigentliche Gefahr bei Nitrofilm von der Zuführung externer Wärme ausgeht. Wobei die häufig genannten 41° C (106° F) auf eine Forschungsreihe aus dem Jahre 1949 zurückgehen, deren experimentelle Anordnung häufig nur bruchstückhaft oder gar nicht referiert wird, so dass es notwendig zu Fehlinterpretationen kommt. Tatsächlich war es so, dass man Kopien in fortgeschrittenem Zerfallsstadium, die damit auch entsprechende Zerfallswärme entwickelten, in metallenen Behältern fortgesetzt höheren Temperaturen aussetzte, beginnend mit 35° C, die in kleinen Schritten erhöht wurden; die Filmrollen selbst waren in Mineralwolle verpackt, um die Zerfallswärme zu konservieren (eine detailliertere Beschreibung des Versuchsaufbaus findet sich im Journal of the SMPTE, März 1950, S. 268 ff.). Nach 17 Tagen fortgesetzter Wärmezufuhr entflammte die erste Nitrorolle bei einer Umgebungstemperatur der oben genannten 41° C (106° F). Das Filmmaterial selbst hatte zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Zersetzungswärme eine Temperatur von (soweit sich das aus der Graphik S. 271 ablesen lässt) schätzungsweise 170 bis 180° F - also um die 80° C (!). Das ist eben etwas völlig anderes als häufig kolportiert wird. Leider lässt die Versuchsbeschreibung nicht erkennen, inwieweit an der Entflammung auch nitrose Gase beteiligt waren (die sich bei der Zersetzung reichlich in dem abgeschlossenen Metallbehälter gebildet haben dürften).

 

Was wissen wir damit? Nitrokopien im Stadium des Zerfalls sind saugefährlich. Aber nichts ist spontan: Eine Rolle Nitrofilm geht nicht einfach in Flammen auf (noch weniger explodiert sie - das tun nur nitrose Gase, wenn es zu einer Verpuffung kommt), da müssen vielmehr schon reichlich externe Wärmequellen hinzukommen. Wobei: wenn man Nitrofilmrollen übereinander stapelt, noch dazu in Metallbehältnissen, sich die Hitze schnell von unten nach oben übertragen kann. - Mit anderen Worten: Von einem in Flammen aufgehenden Nitrofilm kann genau genommen nur überrascht sein, wer sich nicht ausreichend (durch regelmäßige Inspektion und Aussonderung von Material, das zur Zersetzung tendiert) um seine Rollen kümmert - oder sie von vorherein unter dem Dachboden lagert.

 

http://www.archive.o...ge/268/mode/2up

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