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Drama in der Kamera im Gegensatz zu sonst

Passend zum Lesen ein E-Gitarre-Solo z. B. dieses

 

Paillard-Bolex H 16 Reflex, Nr. 190'XXX. Ein Auftrag, Generalüberholung. Es quietscht. Ich zerlege. Was ich finde:

 

  • Die Kamera ist seit ihrem ersten Verkauf 1961 nicht geöffnet worden. Das schwarze Mastix war trocken und hart, Schrauben haben beim Lösen geknackt. Im Innern zwei kleine Filmstücke, trockenes und klebriges Fett, Staub. Die Schaumgummistücke im Sucher waren am Ende.
  • Kein Rost
  • Das Auflagemaß der drei Objektivhalterungen war zu lang, ein wenig mehr als 21,77 mm. Das mathematische Maß ist 0.8175 Zoll oder 20,7645 mm. Die Auflage sollte zwei Hundertstel weniger sein. Dadurch fiele die Schärfeebene nicht auf die Filmoberfläche, sondern ganz leicht in die fotografische Schicht hinein. Man geht auch dem Film entgegen, der sich immer leicht nach hinten wölbt.

 

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Die Bildfensterplatte war nicht planparallel, es gab zwei Hundertstel Unterschied zwischen der Höhe links und rechts. Die Laufstege für den Film sind geschliffen und poliert, doch die Rückseite ist unbearbeitet. Das ist nicht das erste solche Exemplar, das ich antreffe.

 

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Ich habe flach überschleifen lassen, nun ist die Platte überall gleich hoch. Gleichzeitig konnte ich die Auflage auf 20,75 mm bringen.

 

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Im Getriebe gibt es Abnützung kurz vor einem Schaden, zwischen dem Federhaus und dem ersten Zwischenrad,

wo die stärksten Kräfte auftreten. Die Kupplungsgruppe ist betroffen  . . .

 

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und der Federhaus-Zahnkranz.

 

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Die elastische Scheibe am Federhaus hatte Brauen und ist verdorben. Diese Scheibe muß völlig glatt und von gleicher Höhe beidseits der Knicke sein. Vor allem aber sollte sie die richtigen Maße haben. Die Scheibe hat den Innendurchmesser 9,5 mm, was zu groß ist auf dem FederkernØ von knapp 8,9 mm. Die Scheibe muß ein Mal verrutscht und eingeklemmt worden sein zwischen dem Sonnenrad am Federhaus (wogegen sie drückt) und der Halteplatte mit Vierkantöffnung, die an der Platine angeschraubt ist. Der Besitzer der Kamera muß mit Gewalt weiter aufgezogen haben, was auf die Zähne ging. Irgendwann ist die Scheibe wieder freigekommen. Das Sonnenrad kann etwas wackeln, es liegt mit Vierkantöffnung auf dem Federkern, hat Spiel, und das Federhaus kann ebenfalls ein wenig taumeln.

 

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Da ist ganz anständig Kraft zwischen den Teilen! Eine passende Scheibe muß den InnenØ 9 mm haben, damit sie geführt ist. Schlimmer Fehler von E. Paillard & Cie

 

Jetzt sind Wellenscheiben bestellt. Drei Wellen. InnenØ 0.355“ oder 9,017 mm.

In Zukunft werde ich bei jeder solchen Kamera, die ich zerlege, gleich etwas Zuverlässiges als Federscheibe einlegen.

 

So etwas habe ich noch nicht gesehen.

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  • 2 weeks later...

Fortsetzung

 

Was für eine Fundgrube! Der Verschluß war nicht richtig montiert. Die Flügel haben beim Abblenden den Offenwinkel zuerst ein wenig größer werden lassen, um danach zu verkleinern. Im Film wird man das kaum gesehen haben, es hat wohl einfach etwas länger gedauert bis zum Dunkelwerden. Das Irreführende war, daß drei Gewindestifte mit Spitzen in Anbohrungen der Welle sitzen. Wenn ich ein wenig verdreht anziehen wollte, rutschte das Ganze immer wieder in die alte Lage. Der Mechaniker hat das Problem aber gelöst.

 

Die Gabeln der Einfädelautomatik waren verbogen, ein Abstreifblech kratzte innen an der Wickelrolle (das Quietschen).

 

Das Axialhalteblech an der 1-1-Welle war nicht gerichtet. Nach zwei Durchgängen, es vorsichtig zu biegen, hat es dann hingehauen. Jetzt ist da ein halbes Haar Spiel, die Befestigungsschraube angezogen.

 

Im unteren Reglerlager war keine Kugel. Ich glaubte erst, sie wäre mir ab, ich hätte sie verloren, doch beim Zusammenstellen mit einer Kugel bemerkte ich, daß der Bremstopf nicht in seine Position gelangen kann. Also oberes Reglerlager lösen und alles frisch einstellen.

 

In Serviceunterlagen von Paillard habe ich auf einer Zusammenstellzeichnung gefunden, daß unter der oben gezeigten Federscheibe noch eine ebene Unterlegescheibe vorgesehen war. So eine habe ich an der Stelle noch nie vorgefunden. Zudem ist die Federscheibe verkehrt herum gezeichnet. Kein Wunder, sind sie alle falsch eingelegt worden. Ob die Zeichnung amerikanisch oder englisch oder schweizerisch ist, kann wohl nicht mehr bestimmt werden. Von der ganzen Art her, rechtwinklig abbiegende gestrichelte Linien, Nebensächliches mit dünnerem Strich, erscheint mir die Sache importiert. Ihr seht, November 1965, man hat es also über 30 Jahre lang nicht begriffen. Zur Wiederholung: Die meisten Kameras sind in Ordnung, ich habe ja mit defekten Exemplaren zu tun. Viele Defekte hätte man aber ausschließen können.

 

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Weitere Fortsetzung? Aber sicher:

 

Das so genannte lange Prisma und das oben liegende waren beide falsch eingestellt, auf den Nutmuttern des oberen befand sich noch der originale weiße Lack.

 

Mit dem Vorbehalt, daß das Doppelprisma zu weit hinten steht, was ich nicht untersucht habe, sage ich, das lange liegt zu weit vorne. Im Sucher erscheint der untere Bildrand verdeckt. Das obere Prisma, das nach hinten umlenkt, hing windschief auf seinen drei Stellmuttern. Das lange Prisma kann ich jedoch nicht nach hinten rücken, es liegt schon direkt in der Front auf.

 

Sollte sich herausstellen, daß das Doppelprisma nicht stimmt, wird’s noch einen gehörigen Schluck teurer, weil es dann mit Autokollimator ans Zeug geht. Die Generalüberholung ist schon lange zu einem Kraftakt an Reparatur ausgeartet.

 

Liegt es am Jahrgang, daß hier so vieles krumm ist?

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  • 2 months later...

Es kommt immer noch mehr dazu, und zwar mit einem der Objektive, die an der Kamera sind. Es handelt sich um ein Tele-Xenar 75 mm, f/2.8, von Schneider. Das ist nun mal ein doof gemachtes Ding, schwarz eloxierte Aluminiumhülsen ineinander, radial gebohrt, gewindet und verschraubt. Trocken.

 

Über die Jahre ist Fett vom Schärfetrieb die Haupthülse entlang ausgeflossen und an die Halteschrauben gekrochen. Eines Tages hielten sie nicht mehr, lockerten sich, das Objektiv begann in sich zu wackeln. So habe ich es angetroffen. Die Schrauben angezogen zurück zur Kundschaft

 

Jetzt liegt das 75er wieder bei mir. Ich kann die drei Schrauben andrehen, sie halten das Objektiv zusammen. Ich kann die Haltehülse gegenüber der Haupthülse zu wackeln anfangen, kaum spürbar erst, dann kommt’s immer mehr. Die fettigen Schrauben lassen los. Das ist natürlich nix.

 

Zur Abhilfe Zerlegung, Haupthülse und Halterung entfetten, ebenso die Schrauben. Die Unendlicheinstellung geht verloren, ist ja klar. Montieren, die Schrauben mit Sicherungslack eindrehen, ruhen lassen. Der Lack härtet unter der katalytischen Wirkung von Metallen. Nun sind es vernickelte Schrauben in eloxiertem Aluminium und jede/r beruflich einigermaßen Gebildete versteht, daß Aluminium an sich schon nicht blank vorliegt, sondern immer mit einer dünnen Oxidhaut überzogen ist. Elox-Alu hat eine verdickte Oberflächenschicht, die nichts anderes ist als Korund. Al2O3

oder eben Korund ist jedoch kein Metall mehr. Ich frage mich, ob der Lack auch an dem Mineral haften wird. Ob ich alles Fett aus dem porösen Korund herausbringe, weiß ich auch nicht. Auf der anderen Seite, bei den Schrauben, kann die Vernickelung vom Körper abreißen, dann wäre auch alles wieder in Frage gestellt. Ersatzschrauben beschaffen ist dabei nicht leicht – M 1,4.

 

Es tut mir leid, es hier so sagen zu müssen: Die jüngeren Schneider-Schmalfilmobjektive sind entweder falsch konstruiert oder ungenügend montiert worden. Drei Tropfen Loctite (seit 1956 im Handel), heute gibt es Mitbewerbererzeugnisse, hätten damals drin liegen dürfen, und vernickelte Schrauben setzt einfach kein nüchterner Mensch in Alu.-Objektivringe ein. Nur bei Schneider ist das getan worden.

Den Ärger habe ich mir auch von der Seele geschrieben. Ist doch wahr.

Edited by Simon Wyss (see edit history)
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vor 4 Stunden schrieb Rolando:

Simon, ich lese deine Berichte am liebsten bei einem Glas Rotwein, oder Gras... überaus unterhaltsam, wie deine Website, die ich vor kurzem entdeckte! Weiter so!!!

Seine Website hebt sich definitiv vom üblichen Standard-Gesülze ab 😉

 

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  • 1 year later...

Mit Bezug auf den Beitrag vom 9. August 2020 möchte ich einräumen, daß die Größe des Mattflächenbildes möglicherweise einen tieferen optischen Grund hat. Den habe ich aber noch nicht erschlossen. Es sind noch immer nicht alle Zusammenhänge des Doppelprismasuchers ans Licht geholt.

 

Dafür ist heute eine H 16 RX-5 mit schiefen Bildfensterkanten in Arbeit. Die Vertiefung ist gefräst, die bestimmende Öffnung jedoch gestanzt. Das Bildfenster ist auch zu wenig hoch. Ich könnte also noch nacharbeiten und dabei winklig schleifen. Ob das der Kunde bezahlen will?

Edited by Film-Mechaniker
Nachtrag von Einzelheiten (see edit history)
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Besagte Kamera. Zum ersten Male habe ich eine Paillard-Bolex H 16 Reflex vor mir, bei der das Doppelprisma schief in der Halterung sitzt. Es ist unheimlich schwer zu fotografieren.

 

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Man erkennt rechts unten einen Lichtspalt, von Auge ist es viel deutlicher zu sehen.

Die Blechhalterung läßt durch ihre Konstruktion nur einen winzigen Winkelfehler zu. Das hier übersteigt das Halterungsspiel um ein Mehrfaches.

 

Selbstverständlich stimmten die Ausschnitte des Bildfensters und des Suchers nicht überein, vom schiefen Bildfenster abgesehen. So etwas haben die Ferkel verkauft.

 

Wer sich heute eine Bolex kaufen will, bezahle in keinem Falle mehr als 400 Euro. Ich weiß, für jüngere Modelle wird das Zehnfache davon verlangt. Finger weg!

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