ERst einmal, die Norm für 70 mm sah etwas mehr, als die doppelte Bildwandleuchtdichte vor.
125 cd/m² gegenüber 55 cd/m². Wobei es hier 55 + 20/ - 10 cd/m² bei 15% Randlichtabfall hieß.
Das ist insofern ein erheblicher Unterschied, als für die meisten Menschen das Dämmersehen ab 50 cd/m² beginnt, und Farbensehen erst darüber. "Bey der Nacht sind alle Katzen grau" beschreibt das fehlende Farbensehen recht gut.
Bei der Filmprojektion ist der Wirkungsgrad abhängig von der Punktförmigkeit der Lichtquelle. Je höher die Leistung einer Kurzbogenlampe, desto größer der Lichtpunkt.
Bei 35 mm war etwa bei 4,2 kW - eine hochbelastete Sonderlampe - Schluß. 7 kW ermöglichte eine einfachere Gleichmäßigkeit der Ausleuchtung.
70 mm - mit "Beam Spreader" - Zerroptik, die den runden Lichtkreis oval und angepaßt macht an das Bildfeld des 65 mm Filmbildes, hat einen wesentlich besseren Lichtwirkungsgrad, als 35 mm Film ihn aufwieß. Hier gab es noch Zugewinn bei 10 kW Brennern zu verzeichnen. Ohne diese Zerrlinse wäre der Lichtwirkungsgrad durch die schlechte Anpassung des breiten 2.2:1 Bildfenster zum runden Lichtfleck der Lampensonne sehr schlecht.
Insofern war es sehr gut möglich, zumindest in der Anfangszeit, dieses auch durchzusetzen. Zunächst wurden mit Filmprojektoren spezielle Kohlebogenlampen für 70 mm geliefert, deren Spiegeloptik ebenfalls diese Lichtpunkt Ovalverzerrung lieferte.
Da die damit erzielbare 35 mm Helligkeit beschränkt war, man nutzte nur einen Teil des Lichtovals im Kern, wurde 35 mm "artgerecht" mit stark verkleinerter Bildwand gezeigt. Beispiel, 70 mm Bild über den Bogen bei einer Höhe von 10 m hatte 21,9 m, während dann 35 mm CinemaScope als größtes Format auf 11 m Breite und 4 m Höhe gezeigt wurde.
Die 70 mm Vorführungen sahen damit vom empfundenen Bild um Längen besser aus, als ihre 35 mm Pendants.
Nun aber zur Realität. Der Elektrizitätshunger der großen Lichtbogenlampen war exorbitant, in einer Projektunterlage eines 70 mm Neubaus aus 1969 war von 2 x 60 kVA Anschlußwert im Überblendungsfall zu lesen. Real wurden in der 225 A Kohlebogenlampe ca 22 kW Strom verbraucht, für ein schönes Bild auch notwendig.
Für 35 mm hatte man aber zusätzlich "normale" 35 mm Filmmaschinen mit Xenonbrennern eingeplant, da deren Stromverbrauch auf der dann kleineren Bildfläche doch nur 1/6 betrug, und eine bessere Anpassung des 35 mm Spiegels zur Bildfensteröffnung bestand.
In Realität hieß es dann, mit dem Aufkommen der Xenon Lampe 2,5 kW um 1961 war spätestens Schluß mit den Kohlelampen. Im Foyer habe ich eine Norelco AA 70 mm Maschine stehen, die erste in Europa installierte. Ursprünglich mit Mole Super 70 Kohlelampen ausgerüstet, wurde hier auf Philips 2,5 (!) kW Vertikal Xenon 1961 umgebaut. Das Ergebnis kann sich jeder ausmalen. Schön war das Bild nicht mehr, es war dunkel, trübe und farbbefreit. Das die Lichtsonne auf 70 mm eingestellt war, war 35 mm auch ein trübes Vergnügen, und noch dunkler. Das benutzte Super Kiptar 50 mm half dann erst recht nicht.
Normgerecht war keine dieser Vorführungen mehr, da später auch das 35 mm Bild bei CinemaScope auf die volle Breite gespielt wurde. Jedes andere 35 mm Kino hatte ein besseres Bild, und gerade jene, mit mittleren Bildwänden und etwas größeren Lampen sowie moderneren Objektiven (Isco Ultra Star) hatten dann die besten Bilder in der Stadt.
Damit hast du Recht, oft war 70 mm heller und sah etwas besser aus, aber in der Realität, wie schon gesagt fernab der Spezifikationen.
Ich erinnere mich an eine Vorstellung als Schüler in besagtem Filmtheater in 70 mm. Beim Herausgehen hörten wir Erwachsene sagen: "Das ist also 70 mm? Ist ja noch schlechter, als alles andere in unserem Bezirkskino. Und es stimmte, Philips Breitbandlautsprecher (4 x 30 cm mit Hochtonkegel auf 3 x 3 m Holzplatte) und 40 W Philips Bahnhofs Verstärkerendstufen mit CP 100 Steuergerät haben auch ihre Wirkung nicht verfehlt. Ein trostloses Kapitel Kinogeschichte, die 70er und 80er.