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as time goes by ... :-(


preston sturges

Empfohlene Beiträge

Danke für Deine prägnante, kompromisslose Reflexionskraft.

 

Letztlich geht es um die Frage der Bezüglichkeit/Verbindlichkeit von Ästhetik. Oder ob das überhaupt sein muss oder alles eben Spass ist.

Wäre eine Volkskinoarchitektur ausserhalb der Harmlosigkeit überhaupt durchsetzbar? Wie ausdifferenziert und progressiv ist der Geschmack der Masse?

Kann Pracht und Würde wirklich nur über Grösse wirken? Ist das nicht kontraproduktiv manchmal nur Dramatik und Spektakel, wo es in reduziertem Rahmen Lyrik und Kontur geben könnte?

Verstärkt sich mit zunehmender Wucht der Leinwand (und des Tones) eigentlich die Zuwendung gegenüber dem Film? Ist Sinnlichkeit quantifizierbar? Wie sensibel ist die Black Box (die magische Bereitschaft) des Betrachters selber?

Wo bleibt in der Komplizenschaft zwischen Götzendienst und Götze das Werk? Kino als Ablass (Trostspender) und Aberglaube? Kino als Dumpfschläger?

Früher, als als der Ton vorne an der Leinwand klebte und das Bild riss und stolperte, die Farben ausliefen, musste man sich die Vorstellung quasi noch holen. Wie genau aber muss Erfahrung und Empfindung überhaupt sein?

 

Ich möchte die von Dir angesprochenen 'Alternativstätten des Realen', welche in der Regel pragmatisch ihrer Not gehorchen und noch keinen Wert an sich darstellen, nicht gegen die Illusionsfabriken ausspielen. Mein nostalgisch verklärter Ansatz wäre eine Zeit (Utopie) der Grosskinos (gab es diese Zeit?), als durch Genrefilme, über Kino als öffentliches Ereignis an sich, und eine markt- und zielgruppenunbewusste Steuerung, Fronten 'subversiv' unterlaufen und Verbindungen realisiert werden konnten. .

 

Dein Gedanke, dass der Ort und die Form des Kinos an sich unabhängig von seiner Ausrichtung Qualität und politische/künstlerische/sinnliche Kraft geniesst, finde ich völlig richtig. Aber dieser Ort müsste Charakter haben, die Täuschung architektonisch (durchaus im Sinne der von Dir vorgestellten Nüchternheit als Eleganz als die Kunst des Weglassens) zu brechen statt zu verdoppeln. Ohne die Konzession des Designs. Leider ist es auch ein grosser Verlust, dass Säle in riesigen Anlagen oder unter oder über der Erde verschwinden, statt der direkten, schwellenlosen, ebenerdigen Verbindung zur Strasse.

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"Die Ästhetisierung betrifft grundlegende Strukturen der Wirklichkeit als solcher: der materiellen Wirklichkeit infolge der neuen Materialtechnologien, der sozialen Wirklichkeit infolge ihrer medialen Vermittlung und der subjektiven Wirklichkeit infolge der Ablösung moralischer Standards durch Selbststilisierungen.

In der urbanen Umwelt meint Ästehetisierung das Vordringen des Schönen, Hübschen, Gestylten: in der Werbung und im Selbstverhalten meint sie das Vordringen von Inszenierung und Lifestyle: im Blick auf die technologische Bestimmung der objektiven Welt und die mediale Vermitteltheit der sozialen Welt Virtualisierung. Die Ästhetisierung des Bewusstseins schliesslich bedeutet: Wir sehen keine ersten oder letzten Fundamente mehr, sondern Wirklichkeit nimmt für uns eine Verfassung des Produziertseins, der Veränderbarkeit, der Unverbindlichkeit, des Schwebens an..."

(Wolfgang Welsch - Grenzgänge der Ästhetik)

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Ich frag mich, oder wer hat immer das kann doch sein, innerlich die Kirche in der Welt an sich doch gar keinen Sinn im Sinne der wissenschaftlich nicht relevanten ganz und sowieso nichts sagenden Text hier oder auch in anderen Ebenen genau das von sich gibt wie schon vor tausend Jahren und das soll kein Vorwurf sein an sich über die globale Erwärmung in Zusammenhang mit dem 35 mm Film hat. Darüber sollte man doch mal nachdenken.

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Je nun, filmempire,

 

dir fehlt halt zum feinsinnigen Verständnis solcher ästhetischen Dinge der gehobene Sinn fürs Sinnfreie. :lol:

Die schönen Texte oben erinnern mich an die bleiernen Monologe des Filmkritikers Peter W. Jansen in den 70er, 80er Jahren. War das nicht immer in der Sendung Aspekte? Dann tröpfelten aus Jansens Vollbart immer diese endlos verschwurbelten Interpretationsversuche. Möchte lieber nicht wissen, wie viele Leute der damit abgehalten hat, ins Kino zu gehen...

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Die Ansätze von @plutokennedy sind in jeder Hinsicht relevant. Niemandem nutzt eine performative Scheinwelt, deren Interaktion zu Lebens- und Daseinsfragen nicht mehr fiunktioniert! Wer die Beiträge zweimal liest, sieht darin durchaus eine Würdigung der Kulturen der repräsentativen Kinoarchitektur.

 

Wichtig ist nur der Gedanke, die sogenannte Illusionsmaschine auch sichtbar zu machen, und daraus erwächst ein Charakter des Programmkinos neuen Typs. Gerade auch eine Sachlichkeit des Ambientes und eine Nüchternheit des Funktionalismus schärfen die Wahrnehmung des Films als Kunstwerk oder Entertainment. Daher - das wäre unsere These - sollte keine nostalgische Überhöhung, Summierung oder der "rückwärts gewandte Utopimismus" ein Leitfaden der Kino- und Geschäftemacher sein, sondern die produktive Umformung des Film- und Architekturerbes: in neue Zusammenhänge, für neue Publika (auch kritischere jüngere Leute mit anfänglicher Skepsis gegenüber dem Repertoire), aber auch als historische Auseinandersetzung, die fragt, in welche künftige Richtung das Kino gehen könnte.

 

Diese sehr wichtigen (Überlebens-)fragen der Branche sind bisher in diesem Thread der einen Prospekt- und Verkaufsbilder nie angesprochen worden. Das macht ihn untauglich für zukünftigen Gewinn, sei er nun ästhetisch oder gedanklich ausgerichtet.

 

Wäre schade, wenn hier vornehmlich die Nostalgiker, die Hedonisten, schliesslich auch die Bildverkäufer und Zyniker das letzte Wort hätten, gelle?

 

- Fortsetzung der Debatte mit @pluto kennedy folgt in Kürze: "as time goes bye" - zurückgeholt in den Gegenwart, sei unsere Hoffnung. :)

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http://www.wz-newsline.de/?redid=162999

Fehlende Förderung und chronischer Besucherschwund haben das Kino an der Berliner Straße schon kurz nach dem Neustart in den Ruin getrieben.

Wuppertal. Zoltan Paul, Chef der Atoll-Programmkinokette, weiß natürlich, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Doch wirklich überzeugend klingt es nicht, wenn der Schauspieler mit der Leidenschaft zum gehobenen Film versichert, dass im Cinema erst einmal weiter Kino gemacht wird und dass auch der geplante Opernsommer mit Fernsehproduktionen berühmter Opernaufführungen wie geplant über die Leinwand flimmern soll.

„Die Lage ist tödlich für ein Programmkino“

Fest steht bisher nämlich nur, dass an der Berliner Straße heute der Insolvenzverwalter einzieht. Zoltan Paul steigt nach eigenen Angaben aus dem Wuppertal-Projekt aus. Die Geschäfte führt laut Paul der Wuppertaler Uwe Peters. Seine Aufgabe wird es sein, Geld zu beschaffen. Genau das ist Zoltan Paul nicht gelungen.

 

 

 

 

Dessen hoch fliegende Pläne mit dem Cinema zerplatzten, nachdem ihm Filmförderanstalt und Filmstiftung die Unterstützung verwehrt hatten. „Damit hat das Cinema die ganze Gruppe in den Abgrund gerissen“, klagt Paul, dessen Atoll-Gruppe bundesweit vier weitere Kinos an eher provinziellen Standorten betreibt (Soest, Weilheim, Peissenberg und Schrobenhausen).

 

Paul hat sich bei seinem Wuppertaler Engagement in mehrfacher Hinsicht verkalkuliert. „Die Lage ist tödlich für ein Programmkino. Das habe ich unterschätzt“, sagt der Unternehmer zum Standort Berliner Straße. Angestellte berichten, dass sich kaum jemand in die Spätvorstellungen traue. In Elberfeld hätte man das Dreifache an Besuchern, wird gemutmaßt.

Dazu kommen der Mangel an Parkplätzen und angemessene Möglichkeiten zum Ausgehen für ein Programmkino-Publikum. Letzteres hat Paul aufzufangen versucht, indem er die benachbarte Eckkneipe übernahm und zum Kino-Café umfunktionierte. Mitbekommen hat das Zusatzangebot allerdings kaum jemand.

 

Auf den Kosten ist er zudem sitzen geblieben. Damit nicht genug, die gesamte Branche steckt in der Krise. Selbst Programmkinos in Top-Lagen verzeichnen Besucherrückgänge von bis zu 50 Prozent. „Das Filmangebot stimmt einfach nicht“, sagt Paul. In Wuppertal schon gar nicht. Selbst den Hoffnungsträger „Irina Palm“ sehen (mit Ausnahme der WZ-Vorpremiere) im Schnitt gerade einmal 20 Menschen pro Vorstellung.

 

Paul hatte nach Auslaufen des Pachtvertrags im Januar das Cinetal von Kinobetreiber Detlef Bell (Cinemaxx) übernommen und unter dem Namen Cinema neu aufgestellt. Erklärtes Ziel Pauls damals: 60 000 Besucher im Jahr.

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In erfüllung unseres programms ... (sorry for delay)

 

...as time goes by ... bilder von filmpalästen aus vergangener zeit ...

 

heute der ROSENHOF - Osnabrück ...

 

enjoy & einen schönen sonntag noch ...

 

www.kinomuseum.com

 

(PS: schon über 20.000 seitenaufrufe hat dieses thread - zweitbeliebtester lesestoff in der rubrik "nostalgie" ... cool :-))

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Ja, so kenne ich den Rosenhof aus guten Zeiten. Für mich eines der schönsten Kinos, die Flebbe je umgebaut hat.

Den Tiefpunkt hatte das Kino einige Jahre vorher erreicht, als Riech den Saal in vier/fünf (?) Kinos zerteilt hatte.

 

Mein persönlicher Lieblingsthread ist auch mit Abstand "Nostalgie". Das wird sicherlich vielen Fans traditioneller Kinos so gehen. :D

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Das Wort 'Nostalgie' gibt es zum Beispiel auf Französisch so nicht (Sehnsucht- le désir ardent?).

Ich forsche selber seit zwei Jahren über die Kinogeschichte meiner Stadt. Nachdem ich so lange mit Genuss krame, kommt plötzlich das: Ich entdeckte Texte und Musik der Neuen Welle/ New Wave (wieder), die Ende der 70er Jahre gerade in der BRD die weinerliche Zeit der Hippies abgelöst hatten. Jede Zeit hat ihre Gegenbewegung und in diesem Falle affirmative Moderne.

So hält das Herz sich immer jung.

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Sehnsucht:

 

ardeur f - Elan, Feuer, Sehnsucht, Eifersucht, Unermüdlichkeit

ennui m - Ärger, Kummer, Langeweile, Sehnsucht, Unlust/-gefühl

 

nostalgie f - primär: Fern-, Heimweh (auch: Sehnsucht, Nostalgie)

 

nostalgie de la RDA f - die Ostalgie ;)

 

für irgendwas muss die Französischmatura ja gut sein ;)

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Zur Ambivalenz eines coolen Trivialbegriffs:

 

Die produktiven Seiten der Nostalgie:

 

Eine Gesellschaft, die "Nostalgie" als marktgängiges Konsumgut an der kulturellen Börse handelt, kann sich bald nicht mehr vorstellen, daß das Leben in der Vergangenheit in bedeutsamer Weise besser gewesen sein könnte als heute. Nachdem die Menschen die Vergangenheit insofern trivialisiert haben, als sie sie mit veralteten Konsumgewohnheiten, abgelegten Moden und Verhaltensweisen gleichsetzen, nehmen sie an jedem Anstoß, der ernsthaft auf die Vergangenheit Bezug nimmt oder in ihr Maßstäbe zur Beurteilung der Gegenwart zu finden sucht.

 

Die destabilisierenden Seiten der Nostalgie:

Die medizinisch-psychologische Literatur des 19. Jahrhunderts interessierte sich dagegen mehr für die pathologische Seite des romantischen Heimwehs, die jenseits der Normalität lag und angeblich zu Wahnsinn, Selbstmord, Brandstiftung, Kindstötung und anderen Verbrechen führte. Von Zangerl (1840) und Jessen (1841) wurde das Heimweh als psychischer Defekt, individuelle Schwäche, Problem von Außenseitern, ja als psychiatrisch-forensisches Problem behandelt. Ludwig Meyer stellte 1855 unter dem Titel "Der Wahnsinn aus Heimweh" fünf Fälle von Berliner Dienstmädchen vor, bei denen aufgrund des Heimwehs Halluzinationen und andere geistigen Störungen aufgetreten seien. Noch 1909 promovierte Karl Jaspers mit einer Dissertation über Heimweh und Verbrechen. In diesem Arbeiten wurde der Schwerpunkt auf mangelnde Anpassungsfähigkeit und beschränkten Horizont der Heimwehkranken gelegt. Das Heimweh galt als Problem von Dienstboten und anderen deklassierten Bevölkerungsgruppen, die im Zuge der industriellen Revolution der vertrauten heimatlich-engen Umgebung entrissen worden waren.

 

:?:

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Der Kinobesucher vor 40 Jahren hätte seinen Kasten wohl mit Begeisterung gegen eine Anlage von heute eingetauscht. Oder aber wäre mit den von cinerama beschriebenen Symptomen der destabilisierenden Seite in die Filme des Stummfilms geflüchtet.

Das Problem der Nostalgie kann sein, dass sie nur auf Nostalgie macht (Retro). Insofern sollte die Zeit (durch Zitate und Bilder) möglichst für sich selber sprechen dürfen. Aus heutiger Sicht kann man der Vergangenheit kaum gerecht werden. Das war die schmerzliche Einsicht meiner Recherchen. Auch die Vergangenheit ist (war), was sie ist (war): fantastisch und Scheisse immer zugleich.

Nostalgie, die verklärt, ist das Wort, aber keine Geschichte wert.

Ich würde diese Abteilung nicht 'Nostalgie' sondern 'Erinnerungen' nennen.

Oder 'die Zeit vergeht', ist gar nicht schlecht.

Die Fallen von gestern heissen Sentimentalität oder Bitterkeit. Dabei war es einfach passiert.

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@cinerama - eine freundliche bitte - im sinne der forumsintegrität zitate immer als solche kennzeichnen und urheber nennen...danke

 

Eine Gesellschaft, die "Nostalgie" als marktgängiges Konsumgut an der kulturellen Börse...

 

aus: http://www.mentalpsychologie-netz.de/ge...zimus.php4

 

 

Die medizinisch-psychologische Literatur des 19. Jahrhunderts interessierte sich dagegen mehr ...

 

aus: http://www.udo-leuschner.de/sehn-sucht/...eimweh.htm

 

gerne auch eigene gedanken willkommen...:-)

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Waren in Kleinschrift als Zitat eingefügt, des Nachts aber die URL vergessen worden einzufügen - Enschuldigung, eine Unhöflichkeit!

 

[Aber auch Sie halten sich nicht immer an Quellenangaben, oft genug hier erinnert. Das färbt irgendwann ab ...]

 

 

 

Diesmal keine eigenen Gedanken, denn sie wurden von mir auf den Vorseiten schon in bezug auf das Thema Schleichwerbung & Gefühlsevokation überstrapaziert.

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Solche Symptome (Kapitalismus und Schizophrenie, frei nach DeLeuze; Degression und Debilität) können wir hier nicht behandeln, es gibt aber hierfür die Fachärzte, Monsieur Sturges.

 

 

 

Für @plutokennedy eine Passage aus meinem Manuskript. Um Widerspruch wird herzlichst gebeten:

 

 

In der Publikation „CinemaScope - Zur Geschichte der Breitwandfilme” zieht [...] Helma Sanders-Brahms eine [...] soziographische Linie: von ihrem Lieblingsfilm „Lola Montez“ direkt zu Lichtspielstätten eines überraschend originellen Typus. Sie schließt auf zu einem interaktivem Kinokonzept, das mit hochmodernen fiktionalen Entwürfen aufwartet, welche in die Vergangenheit zurückstrahlen:

 

Ich sehe ich ihn nur selten, denn ich habe ihn bis jetzt nicht auf Kassette betrachten mögen, dazu ist er mir zu schade. Aber wenn es die berühmte einsame Insel gäbe, auf der aber zufällig ein funktionstüchtiges Kino mit Leinwand und Breitwandprojektor existierte, und man dürfte nur einen Film mitnehmen – dann wäre er es: „Lola Montez” von Max Ophüls.

[...] Und der Film selbst ist so wienerisch-verführerisch wie der „Rosenkavalier”.

[...] Einmal sollte man ihn in der Wiener Staatsoper vorführen, auf einer Riesenleinwand, in diesem Haus voll Gold und Pläsch und Lüster, und nach seinem Ende müßte die Leinwand zum Schnürboden hinauffahren und die Bestuhlung ins Parkett, und dann müßte sich einem eine Hand um die Taille legen, damit man sich weit zurücklehnen kann beim Walzer, dann dreht es sich besser, dreht es sich besser, dreht es sich besser ... wie bei den ersten Bildern des Films, wo es hinaufgeht und hinab und in die Runde, durch Löwen und Livrierte, Käfiggitter rasseln auf und herunter, Bälle und Keulen sausen in langen Reihen in die Luft, dort sich drehend und wirbelnd gehalten von rotgolden Verschnürten, die mit einem jonglieren, und da ist die Zirkuskuppel und unten die Manege [...].

Aus: Sanders-Brahms, Helma: Lola Montez. In: Helga Belach/Wolfgang Jacobsen (Hg.): CinemaScope: Zur Geschichte der Breitwandfilme. Berlin 1993. S. 172.

 

Während Filmemacher eine performative Umwelt für ihre Lichtspiele immer nur zu erträumen wagten, hält der Architektur-Historiker Paul Bode die nüchternde Warte des Funktionalismus dagegen und skizziert den Wandel zum Breitwandkino und Zweckbau am Status Quo:

 

Diese Bildzone, die durch die neuen Bildverfahren immer mehr an Geschehensplastik gewinnt, bedarf auch eines Bühnenrahmens nicht mehr, mit dem man nach gewohnter Denkweise das „Bild” des Films umgehen zu müssen glaubte. [...] Bei der Gestaltung des Zuschauerraums ist von der Bildzone dem „Schauplatz” eines an keine Bühne und keine Kulissen gebundenen, weltweiten Geschehens auszugehen. Je inniger die Verbindung dieser schon erwähnten „Zone der Illusionen” mit dem übrigen Raum gelingt, umso nahtloser ist die Veschmelzung des mechanischen Vorgangs der Filmwiedergabe mit dem Massenerlebnis einer suggerierten Wirklichkeit. Decke und Bühnenboden müssen unmittelbar an die Bildfläche anschließen.

Aus: Bode, Paul: Filmtheater und Vorführräume. München 1957. S. 23 f.

Thesenhaft wären idealtypische Imperative für Kinoarchitektur zu erheben, die mit jüngsten ökonomischen Entwicklungen am Markt verglichen werden müssen: Danach entstünde ein eigens für den spezifischen Film adaptierter Raum. Er sei neutral, so er sich selbst unsichtbar macht und mit dem gezeigten Film „mitschwingt“. Er böte optimale Sicht- und Hörerlebnisse für jeden Film. Da er stets spezifisch ist, kann es das definitive, ideale oder endgültige Kino nicht geben.

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@cinerama

 

Mir ist im Multiplex Aquaboulevard in Paris (Gaumont/ Baujahr 2003) dieser elegant/funktionale Saal, den Bode bereits 1957 voraussieht, aufgefallen. Er besteht mit Ausnahme eines schmalen Streifens vor der Leinwand (ohne Vorhang) nur noch aus Bild (Decke zu Boden, Wand zu Wand) und Zuseherrampe.

Wenn ich Deine Auseinandersetzung studiere, wird mir wieder bewusst, dass der Kinoraum sich vom Theater- und Variétésaal erst spät emanzipiert hat.

'Art-et-Essai' mit der Absicht der Objektivierung (Bewusstsein) hat Studio- und Programmkinosäle dazwischen hervorgebracht, welche zwar in karger Ausstattung nicht vom Film ablenken sollen (traumloses Kino) aber (z. B. im Unterschied zum Bildraum Aquaboulevard) Abstand und Anwesenheitsgefühl gegen den Verschmelzungswunsch belassen.

Offenbar findet heute jeder Filmanspruch konzeptionell zu seiner eigenen (inneren) Architektur, während das Kino noch bis weit in die 60er Jahre eher von der Bauweise seiner Zeit entsprechend auch den hohen Besucherzahlen bestimmt war (?).

Meine ketzerische Ausgangsbehauptung war, dass eine Kleinstleinwand sogar mit umgebender Ablenkung - oder z. B. ein ungünstig langer Schlauchsaal - das innere Erlebnis des Films gegenüber dem optimalen Riesenbildsaal nicht negativ verändern können (im Unterschied zu Dunkelheit und Ruhe, was bei nicht Vorhandensein auch in einem Supersaal extrem stören) und die Vereehrung der Scopeleinwand in diesem Sinne überschätzt wird. Masse macht keine Klasse. Masse machen keine Klasse.

In meiner Stadt war nie eine Leinwand grösser als 75 Quadratmeter, was den Genuss nur insofern behindert, als ich sie z.B. mit Paris vergleiche. Aber dass sind nur Behauptungen. Ich könnte sogar noch draufsetzen, dass Attraktivität die Empfindung sogar stört. Auch interessieren mich die Filme, welche für 70mm hergestellt wurden, eigentlich meistens gar nicht: Lyrik statt Walzeroper + Epos, Il Grande Silenzio statt Lord of the Rings.

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Danach entstünde ein eigens für den spezifischen Film adaptierter Raum. Er sei neutral, so er sich selbst unsichtbar macht und mit dem gezeigten Film „mitschwingt“. Er böte optimale Sicht- und Hörerlebnisse für jeden Film. Da er stets spezifisch ist, kann es das definitive, ideale oder endgültige Kino nicht geben.[/color]

 

Wie aber definierst Du die Parameter?

Oder ergeben sich diese organisch aus sich heraus?

Kann man diese Angemessenheit objektivieren?

Ist nicht gerade das Problem, dass die Zuweisung alleine immer nach ökonomischen Gesichtspunkten funktionieren wird (Piraten in allen Grosssälenl).

In Paris, wo Anspruch und Unterhaltung nicht so klar getrennt und die Menschen offener sind, einen (depressiven) 'Studiofilm' auf einer ansehnlichen Leinwand zu sehen, ist ein schönes Erlebnis, Verehrung auch vor der Kunst und dem Leben.

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@plutokennedy:

 

Die Parameter für eine ideale Filmprojektion, besonders in den Breitwandformaten, findest Du wahrnehmungsphysiologisch und -psychologisch begründet in diesem Buch (hier für wenig Geld zu haben):

 

http://www.gfw.de/shop/product_info.php?products_id=12433&osCsid=69702eea109249d52279ce4c6c21a9ea

 

Goldowskij, E.M.: Grundlagen der BreitwandFilmverfahren.

148 Seiten mit 45 Abb., 15 x 21 cm., Fotokino-Verlag, Halle 1959

11563.jpg0

 

Ein Klassiker, dessen Konzepte und Formeln zur Kinoarchitektur noch heute nützlich sind.

 

Ein Beispiel für "unverrückbare" Parameter:

Eine realitätsnahe Filmwahrnehmung (bei hinreichender Auflösung, Schärfe, Kontrast- und Farbwiedergabe) ist nur dann möglich, wenn die Akkomodation beider Augen des betrachters auf "Nah-unendlich" eingestellt ist. Sonst wird das Bild unbewußt automatisch als flächig verarbeitet, nicht als Blick durch ein Scheinfenster.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Akkommodation_%28Auge%29

 

Der Mindestabstand Betrachter-Bildwand liegt daher bei ~7 Meter. Um die Forderung nach einem gewissen Bildwinkel zu erfüllen, den das Projektionsbild einnehmen soll, ist eine Bildgröße notwendig, die sich bei Kleinst- und Heimkinos nicht realisieren läßt.

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  • 2 Wochen später...
  • 3 Wochen später...

kommen mir beim Anblick dieser Bilder fast die Tränen: Der Europapalast in Essen ist heute ein Disco. Ich war in meiner Jungend fast jede Woche im Europapalast oder im Filmpalast oder im Grand Film Palast. Die Bilder zeigen nicht annähernd wie das Kinoerlebnis wirklich ist. Ein Jammer das das Kino pleite ging (wegen Cinemaxx) aber das ist ein anderes Thema. Sicherlich hat der damalige Besitzer die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt.

 

Mein erster Film, den ich dort sah, war 1974 Giganten am Himmel. Ich war ein paar Minuten zu spät und der Hauptfilm lief schon. Man ging unter dem Rang, wie durch ein Tunnel, in den Saal und auf der letzten Stufe ungefähr der Treppe stand man mitten im Kino mit Blick auf die 34 m Leinwand..und da kam mir der Jumbo entgegen geflogen....vor Schreck über die Riesenleinwand hat´s mich fast umgehauen.

 

Was vielleicht nicht jeder weiß: Der Europapalast wurde von Stanley Kubrick persönlich ausgewählt um 2001 Odysee im Weltraum in Cinerama zu zeigen. Das war dann bestimmt echt gigantisch. Bis zum Schluss waren alle drei Cineramaprojektoren funtkionsfähig. Zzgl. 10 Kanal Magnettonanlage (aber da könnte jetzt auch meine Fantasie mit mir durchgehen). In einer Ecke schlummerte eine komplette Kopie des Filmes Windjammer (ich meine der war ungefähr von 1954 der erste Cineramafilm??)

 

P.S.

 

Ich bin neu hier im Forum, da ich gestern ein Kino mit 2 Sälen gekauft habe!! Von wegen Kindheitstraum und so....und weil mein Vater Filmvorführer war. Fast genau heute vor 50 Jahren im Jahre 1957 hat er seine Filmvorführerprüfung (für Nitrofilm, wie es so schön hieß) gemacht.Leider ist er vor 2 jahren gestorben und kann nicht miterleben wie sein Sohn in seine Fußstapfen tritt.

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Dann herzlich willkommen im Forum!

 

Wohl gar keine Frage: EUROPA PALAST Essen eines der grandiosesten Breitwand-Kathedralen der Geschichte, und neben dem Berliner ROYAL PALAST eines meiner fünf Lieblingskinos.

 

Es war sicher so, daß in Essen die letzte Betreiberin (ihr folgte noch kurzzeitig eine Havarist, der nicht lange überlebte) grosse Investitionen in die Modernisierung des NEUEN ROXY tätigte und auch den GRAND PALAST (heute ein Theater) in Schuß hielt, jedoch die Totalrenovierung des EUROPA PALASTES nicht mehr stattfinden konnte, nach dem CINEMAXX am Berliner Platz ein Kaufhauskino mit 14 Leinwänden eröffnete und auch die Programmkinoszene der Filmkunstheater sich festigen konnte.

 

Heute sollen die Darbietungen im CxX (trotz eines neuen "Luxus-Saals") mitunter derart ernüchternd sein, sodaß sich viele den leicht "muffigen" EUROPA PALAST vehement zurücksehnen.

 

Leider verfügte der grosse Saal des EUROPA (es gab noch drei weitere Saalanbauten zum Kinocenter) schon seit den 1970er Jahren über keine 3-streifige Funnktion mehr, gleichwohl Teile der Anlage noch in den 1990er Jahren dort stationiert waren.

 

Die 3-streifigen CINERAMA-Kopien von WINDJAMMER (1. Cinemiracle-Film, jedoch verspätet die erste "Cinerama"-Vorführung in Dtl.) und DAS WAR DER WILDE WESTEN konnten durch den Enthusiasten Burmeister gerettet werden und wurde dem National Museum of Film, Photography and Television (NMPFT) im englischen Bradford übergeben, wo sie desöfteren gezeigt werden.

Die 70mm-Kopien KRAKATOA und DIE LETZTE SCHLACHT verblieben freundlicherweise in Deutschland.

 

In den letzten Jahren wurde das Format "Cinema-Scope" im EUROPA 1 ebenfalls auf voller Bildbreite von 26 Metern gezeigt: es war höchst eindrucksvoll (zuletzt dort STAR TREK - GENERATION gesehen), aber es wirkte auch etwas dunkel.

 

M.W. soll der Saal zurzeit überhaupt nicht genutzt werden?

Jedenfalls wäre er eine echte Wiederentdeckung, sollte sich die CxX wider Erwarten evtl. wieder aus dieser Stadt zurückziehen.

 

Wie Du zurecht bemerkt hast: kein Bild der Welt kann tatsächlich die Atmösphären und Proportionen eines Filmpalastes adäquat wiedergeben - wir können wohl nur mit den Rudimenten und der Präzision unserer Erinnerung leben.

Vielleicht gelingt dies einmal über Computer-Simulationen - ich denke oft daran.

 

 

Traurigerweise ist auch zu vermelden, daß dieser Tage das Weltpremierentheater von 2001: A SPACE ODYSSEY geschlossen und an eine Kirche verkauft wurde. Es handelt sich um das Cinerama Uptown Theatre in Washington DC, um das seit Jahren (auf www.film-tech.com) hitzige Debatten geführt werden:

 

church_28565_3.jpg

(Quelle: Christianpost)

 

http://www.film-tech.com/uploads/upload...nley70.jpg

http://www.film-tech.com/uploads/upload...lec.70.jpg

 

Oder: www.film-tech.com : dann in die Suchmaske den Thread eingeben: Uptown Theater ditches quality projectionists in search of a crappy presentation

(Quelle: www.film.tech.com. Bildwandshots aus 2001: A SPACE ODYSSEY sowie LAWRENCE OF ARABIA - bedauerlicherweise bereits in sog. "restaurierten" 70mm-Versionen der beiden letzten Dekaden)

 

Die Deep Curved Sreen im UPTOWN THEATRE wurde als eine der größten und letzten Klassikbildwände der Region gepriesen, erreichte jedoch nie die Ausmasse des essener EUROPA PALAST (26 Meter) oder des berliner ROYAL PALAST (32,80 Meter). Die "letzten" Cinerama-Theaterbauten in Europa durch Nicolas Reisini sprengten somit alle Panorama-Dimensionen. :cry:

 

Zum Trost:

Es existieren noch immer die gewölbten Grossbildwände im CINERAMA SEATTLE sowie im CINERAMA DOME und EGYPTIAN THEATRE in Los Angeles oder im ROYAL PALAST in Malmö - immer wieder eine Reise wert!

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Zum Trost:

Es existieren noch immer die gewölbten Grossbildwände im CINERAMA SEATTLE sowie im CINERAMA DOME und EGYPTIAN THEATRE in Los Angeles oder im ROYAL PALAST in Malmö - immer wieder eine Reise wert!

 

welcome @cinemartin und vielen dank an @cinerama für die aufstellung ... ich darf komplettieren :-) ...

 

... denn wer nicht so weit ins ausland reisen will - deutschland urlaub liegt z.zt. ja im trend - findet auch eine gewölbte grossbildwand bei uns in der "Schauburg" in karlsruhe ... ehemaliges "Cinerama-Roadshow-Kino" der "Deutschen Cinerama" und als solches 1968/1969 nach "Cinerama" plänen konzipiert und umgebaut, wieder-eröffnung 1969 mit der EA von "2001" in 70mm "single-lens-Cinerama" - DP70 immer noch heftigst aktiv.

 

Nächste 70mm show kommenden Freitag und Sonntag mit "SAN SEBASTIAN" (die SAN SEBASTIAN show zum ersten mal mit dem prototyp eines 70/35mm 10-spur magnettonkopfes nach eigenen vorgaben gefertigt, der die bei alten 70mm retro-kopien stattgefundene schrumpfung durch angepasste spurlagen/-breiten berücksichtigt - daher bestmögliche abtastung der magnettonspuren auch bei alten geschrumpften kopien) ...

 

dieses jahr findet vom 5. - 7. 10. das 3. Todd-AO festival statt, unter anderem gibt es ein oder evtl. zwei "ultra-Panavison" shows ...

 

... bericht über das letztjährige festival hier ... http://www.in70mm.com/news/2006/schauburg/index.htm

 

... "as time stays tuned!" :-)

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